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DIE ESTNISCHE
STAATSBÜRGERSCHAFT

VON
EUGEN MADDISON

VERLAG VON A. KEISERMANN
TALLINN (REVAL) 1929

DIE ESTNISCHE
STAATSBÜRGERSCHAFT

VON EUGEN MADDISON

VERLAG VON A. KEISERMANN
TALLINN (REVAL) 1929

Kirjast, o.-ü. „Täht“ trükk Tallinnas, V. Pärnu mnt. 31. 1929.

I.
Die Staatsbürgerschaftsfrage ist verhältnismässig leicht .zu
lösen in Fällen, wo man es mit alten Staaten zu tun hat.
Viel ernster und verwickelter gestaltet sie sich in Zusammen­
hang mit den erst kürzlich in die Gemeinschaft der Völker auf­
genommenen jungen Staaten. In diesem Falle genügt nicht die
Kenntnis der jeweils geltenden Staatsbürgerschaftsgesetze, die
Analyse ihrer einzelnen Normen, —da wird es zur Notwendig­
keit einen Rückblick in die Vergangenheit zu tun, einen
Forschungsgang in die Geschichte des Staates zu unternehmen.
Der Staat entsteht nicht in einer fertigen Form; er ist kein
Gebäude, welches nach einem bestimmten, vorher bestätigtem
Plane erbaut, bei seiner Einweihung fertig dasteht. Bei der
Entstehung des Staates ist es bloss erforderlich, dass die unbe­
streitbaren Kennzeichen des Staates zu ersehen sind, dass die­
jenigen Vorbedingungen gegeben sind, die das Vorhandensein
des Staates bestätigen. Alles andere — die Staatsbürger­
schaftsfrage miteinbegriffen — ist schon Aufgabe des neu­
geschaffenen Staates. Das will aber nicht besagen, dass bei
der Gründung des Staates die Staatsbürgerschaftsfrage über­
haupt keine Regelung erfahren hat, denn ein Staat ist undenk­
bar, wo das Volk fehlt, dessen Bevölkerung sich nur aus Aus­
ländern zusammensetzt. Beim Entstehen des Staates ist es ja
auch im all gemeinen bekannt, wer sein Volk, wer seine Bürger
sind. Zu den Bürgern des neuen Staates gehören de facto
alle auf seinem Territorium lebenden Personen, die vor der
Gründung des Staates Untertanen desjenigen Reiches waren,
dessen früheren Gebietsteil der neue Staat einnimmt. Die
spätere Gesetzgebung kann bei der näheren Normierung der
Staatsbürgerschaftsfrage erhebliche Änderungen des sich
ergebenden de-facto-Zustandes vornehmen; sie kann z. B.
Personen, die ausserhalb des Staatsterritoriums leben, als
Staatsbürger anerkennen, oder umgekehrt Personen, die in
3

den Grenzen des Landes leben, oder die bei der Entstehung des
Staates de facto zu den Bürgern gehörten, als solche nicht
anerkennen. Hieraus ergibt sich, dass der Betrachtung der
Gesetzgebung das Kennenlernen der Entstehungsgeschichte
des Staates oder allenfalls die Feststellung des Entstehungsmoments vorangehen muss.
Im vorliegenden Falle würde sich die Frage vornehmlich
darum handeln, wann der estnische Staat ent­
standen ist. In dieser Beziehung gehen die Ansichten aus­
einander, was dadurch zu erklären ist, dass es in der Ent­
stehungsgeschichte Estlands drei Zeitpunkte gibt, die als Ent­
stehungsmomente des estnischen Staates in Betracht kom­
men könnten. Das wären: der 28. November 1917, als der
estnische Landesrat sich für den alleinigen Träger
d er höchsten Ge walt im Lande erklärte (Staatsanzeiger
Nr. 1 — 1918); d e r 24. F e b r u a r 1918, an welchem Tage das
Manifest des Ältestenrates des Landesrats (resp. Landtages)
an alle Völker Estlands veröffentlicht wurde, welches Estland
in seinen geschichtlichen und ethnographischen Grenzen von
disem Tage an für einen selbständigen demo­
kratischen Freistaat erklärte (Staatsanzeiger Nr. 1 —
1918), und der 11. November 1918, als die estnische
Provisorische Regierung in ihrer Deklaration an die Völker
Estlands kundgab, dass sie ihre zeitweilig behinderte Tätigkeit
wieder aufgenommen hat (Staatanzeiger Nr. 1 —1918). Diesen
Zeitpunkten entsprechend, betrachten die einen den 28. Novem­
ber 19171, die anderen den 24. Februar 19182 und noch andere
den 11. November 19183 als den Gründungstag des Est­
nischen Freistaates. Auch besteht noch eine vierte Version4,
welche die Entstehung des Estnischen Freistaates auf Ende
Mai 1918 verlegen möchte mit der Begründung, dass zu dieser
Zeit die de-facto-Anerkennung Estlands seitens der Allierten
erfolgte (am 3. mai — Grossbritannien5, am 13. Mai — Frank­
reich6 und am 29, Mai — Italien7. Dt. Josef Kunz8 findet
aber „die britische Anerkennung des „Conseil National Esthonien“ zu einer Zeit, da der estnische Staat noch nicht
existierte, das Gebiet de jure noch zu Russland gehörte und
von deutschen Truppen besetzt war,“ nicht richtig. Nicht uner­
wähnt zu lassen wäre auch noch die Auffassung9, nach
welcher sich Estland am 28. November 1917 wohl zum Est­
nischen Freistaat proklamierte, nicht aber seine Unab­
hängigkeit erklärte und infolgedessen in der Konföderation mit
4

Russland verblieb. Diese Auffassung: kann überhaupt nicht
ernst .genommen werden, denn eine Konföderation zwischen
zwei selbständigen Staaten kann nur auf vertraglichem Wege
Zustandekommen.10

Welcher von diesen Tagen wäre also als der Gründungstag
des Estnischen Freistaates anzunehmen? Meines Erachtens
wäre es wohl am richtigsten, „die Selbständigkeit Estlands vom
28. November 1917 an zu rechnen, als der Landesrat sich
für den einzigen Träger der höchsten Gewalt in Estland
erklärte, nach dessen Verordnungen und Verfügungen man
sich in Estland zu richten hat, bis die vom Landesrat unver­
züglich auf Grundlage eines demokratischen Wahlgesetzes
einzuberufende Konstituierende Versammlung Estlands Zusam­
mentritt, um die staatliche Ordnung Estlands festzusetzen und
damit im Lande endgültig eine gesetzgebende und voll­
streckende Gewalt zu schaffen.“ 11 An diesem Tage fand die
Vereinigung der drei staatenbildenden Urelemente statt: die
Obergewalt über ein auf einem bestimmten Territorium leben­
des Volk wurde geschaffen. Ebenso war an diesem Tage der
Tatbestand „Staat im Sinne des Völkerrechts“ gegeben. Nach
Dr. Josef L. Kunz,12 auch A. Verdross,13 sind die Be­
dingungen, von deren Erfülltsein die positive Völkerrechtsnorm
das Vorliegen des Tatbestandes „Entstehung des Staates“
abhängig macht inhaltlich folgende: ,,a) eine Rechtsordnung
muss sich in der Regel durchsetzen (Faktizität, Effektivität);
b) sie darf keiner anderen als direkt der Völkerrechtsordnung
unterstellt sein (Völkerrechtsunmittelbarkeit); c) die Weise
der Konstituierung dieser Rechtsordnung und ihren Inhalt be­
stimmt diese Rechtsordnung selbständig, weil ihr dies von dem
übergeordneten Völkerrecht überlassen, eingeräumt ist (Souve­
ränität, Verfassungsautonomie)“. Diese Vorbedingungen lagen
am 28. November 1917 vor und sie blieben auch bestehen, unge­
achtet dessen, dass vom 28. November 1917 bis zum 24. Feb­
ruar 1918 der Bürgerkrieg im Lande andauerte14 und vom
25. Februar bis zum 11. November 1918 Estland die Invasion
der deutschen Truppen überleben musste.
Was stellte der Landesrat oder der Landtag vor, der sich
für den Träger der höchsten Gewalt in Estland erklärte? Er
war keine einfache Selbstverwaltungskör­
perschaft, sondern Estlands Volksvertre­
tung. Am 12. April 1917 (am 30. März a. St.) bestätigte die
russische Provisorische Regierung die Verordnungen über die
5

zeitweilige Gestaltung der Administrativverwaltung und der
lokalen Selbstverwaltung im Gouvernement Estland (Samml.
der Verordn, und Verfüg, der Regierung Nr. 173 — 1917,
Art. 952). Auf Grund dieser Verordnungen (Teil III) wurde die
Verwaltung des Gouvernements Estland in seinen neuen Gren­
zen bis zur Herausgabe eines Gesetzes über die neue Admi­
nistrativordnung des Baltikums dem Gouvernementskommis­
sar der Provisorischen Regierung übertragen. Neben dem
Gouvernementskommissar sollte ein temporärer Gouverne­
mentslandesrat bestehen (nicht eine Gouvernements-Land­
schaftsversammlung, wie in den inneren Gouvernements Russ­
lands), der aus den Abgeordneten der Städte und Kreise zu je
einem Vertreter auf 20.000 Einwohner gebildet wurde, wobei
die Städte mit einer kleineren Einwohnerzahl je einen Vertreter
zu entsenden berechtigt waren. Laut der Verordnung der Pro­
visorischen Regierung vom 4. Juli desselben Jahres (v. 22. Juni
a. St.) über die Inkraftsetzung der Verordnungen vom 12. April
(Samml. der Verordnungen und Verfügungen der Regierung
Nr. 173, Art. 953) wurde das Wahlrecht Personen beiden Ge­
schlechts, die das Alter von 20 Jahren erreicht haben, einge­
räumt. Kraft derselben Verordnung vom 4. Juli wurden die
Mitglieder des Landesrates von den Kreiswahlversammlungen
und der Stadtabgeordnetenversammhmg und die Mitglieder der
Kreiswahlversammlungen ihrerseits von den Gemeindever­
sammlungen zu je einem Vertreter auf 1000 Einwohner durch
allgemeine, gleiche, unmittelbare und geheime Abstimmung
ohne Unterschied der Geschlechter und unter Sicherstellung
einer Vertretung der Minorität gewählt. Zur gemeinsamen
Kompetenz des Gouvernementskommissars und des Gouver­
nements-Landesrats gehörte die Verwaltung der Sachen der
allgemeinen Administrativverwaltung und der lokalen Selbst­
verwaltung im Gouvernement, die Regelung der Landwirt­
schaft usw. Ausserdem gehörte zu den gemeinschaftlichen
Obliegenheiten des Kommissars und des Landesrates die Be­
arbeitung der Fragen betr. des Projektes für die zeitweiligen
Verordnungen über die Administrativordnung des Gouverne­
ments Estland und die Regelung der lokalen Selbstverwaltung
auf der Grundlage der allgemeinen, gleichen, geheimen, un­
mittelbaren Abstimmung ohne Unterschied der Geschlechter
nach den Grundsätzen des proportionalen Wahlsystems. Auf
Grund des Anhanges zu Abschnitt I der Verordnungen vom
4. Juli hatte die Festlegung des inneren Reglements der Tätig­
6

keit des Landesrats, sowie die Einsetzung und die Bestimmung
der Pflichten der vollziehenden Organe (laut der Verordnung
vom 12. April aus einer Person bestehende oder kollegiale)
nach den von dem Landesrat herauszugebenden Instruktionen
zu erfolgen. Nach Bildung der temporären Gouvernements­
und Kreis-Landesräte wurden alle in Verwaltung der Adelsiandtage, -Komitees, -Konvente, der Landratskollegien, Kreis­
deputierten und Kreisversammlungen, sowie aller übrigen
Adelskörperschaften und auch die in Verwaltung der wichtig­
sten kirchlichen Fürsorgeorgane und Konvente stehenden An­
gelegenheiten, mit Ausnahme der ausschliesslich die Stände
und Konfessionen betreffenden, der Zuständigkeit dieser Kör­
perschaften enthoben. Die übernommenen Sachen, sowie die
dazu gehörigen Archive wurden dem Gouvernementslandes­
rate in Verwaltung gegeben. Ferner musste auch alles mit
diesen Angelegenheiten in Verbindung stehende Eigentum,
Kapitalien, Einnahmen usw. dem Landesrat übergeben werden.
Gleichzeitig war die Liquidierung des Hauptamtes, sowie
anderer Nebenbehörden der Gouvernementsverwaltung, sowie
vieler anderer spezieller Ämter vorgesehen. Mit der Über­
wachung der Gesetzmässigkeit der Tätigkeit des Landesrats
wurde der Gouvernementskommissar betraut. In den Grenzen
seiner Zuständigkeit handelte der Landesrat selbständig. Die
Verordnungen des Landesrats, gegen die Berufung eingelegt
wurde, wurden der Administrativabteilung des Kreisgerichtes
zur Entscheidung vorgelegt. Der Landesrat hatte das Recht
im Rahmen seiner Kompetenz obligatorische Verordnungen zu
erlassen.
Aus allem dem geht hervor, dass die so geschaffene Selbst­
verwaltung in gewissem Sinne die Estland gewährte Auto­
nomie war15: sie war gleichzeitig die Landesverwal­
tung und die Selbstverwaltung. Der Landesrat oder
der Landtag war Estlands Volksvertretung, das von ihm ins
Leben gerufene Exekutivorgan, die Landesverwaltung — Est­
lands Regierung, während der Kommissar der Provisiorischen
Regierung die russische Zentralgewalt am Orte vertrat. So
stellte sich die russische Provisorische Regierung zu dieser
Neuordnung16 und dieselbe Ansicht vertraten auch die die
Autonomie anstrebenden Volksführer. Der Landesrat oder der
Landtag war die estnische Volksvertretung, das estnische
Parlament; wenn er auch nicht in den Verordnungen der Pro­
visorischen Regierung vom 12. April und 4. Juli als solches
7

bezeichnet wurde, so wurde er doch im amtlichen Verkehr so
genannt und als solches anerkannt.
Bei der Eröffnung des Landesrats oder Landtages am
14. Juli 1917 äusserte sich der Gouvernementskommissar u. a.
folgendermassen: „Die Tür,17 die mit sieben Siegeln versiegelt
jahrhundertelang für uns verschlossen geblieben war, hat sich
heute geöffnet und die Volksvertretung tritt über ihre
Schwelle, um die Verwaltung des Landes in die
eigene Hand zu nehmen... Ihr seid die Abge­
ordneten des Volkes und das Volk unterstützt
Euch... Die -neue Geschichte unseres Heimatlandes beginnt
mit dem heutigen Tage“.18 In dem an die russische Proviso­
rische Regierung gerichteten Begrüssungsschreiben, erklärte
der Landesrat, dass er „der Regierung seine Unterstützung
zusagend,... in der zeitweiligen Regelung der allgemeinen
Verwaltung des Landes, sowie der lokalen Selbstverwaltung
nur eine Übergangsstufe zum endgültigen Ziel, d. i. zur Auto­
nomie auf demokratischer Grundlage in der Russischen Föde­
rativen Republik sieht.“19 Gelegentlich des Aufstandes des
Generals Kornilow fasste der Landesrat am 11. September
1917 folgenden Beschluss: „Die Erklärung des General-Kom­
missars Onipko zur Kenntnis nehmend und im Auge behaltend,
dass die Provisorische Regierung das Volk... bis zur Konsti­
tuierenden Versammlung bringen muss, erkennt der Zeitweilige
Estnische Landesrat die Provisorische Regierung als alleinige
unumschränkte Trägerin der höchsten Gewalt im Reiche an
und ist der Ansicht, dass nur die Vorschriften der Proviso­
rischen Regierung, der erblichen Trägerin des souveränen
Volkswiillens, als gesetzliche Akte erfüllt werden sollen usw.“20
Auf Grund dieses Beschlusses erklärte der Landesrat in seinem
Aufruf an das Volk Estlands vom 13. September 1917: „Der
Estnische Landesrat fordet die Bevölkerung Estlands auf
den Frieden aufrecht zu erhalten... Unsere Selbstverwaltungs­
organe, unsere Gemeinde- sowie Kreisräte müssen sich einzig
und allein nach den Befehlen und Verordnungen der revolutio­
nären Provisorischen Regierung, des Stellvertreters derselben,
sowie des vom Volke gewählten Estnischen Landesrats richten.21
Am 8. September beantragte die bolschewistische Partei des
Landesrats die Neuwahlen des lezteren.22 Hinsichtlich dieses
Vorschlages fasste der Landesrat am 9. September folgende
Resolutionen: 1) Estlands jeweiligen Temporären Landesrat,
solange ein vollständigerer nicht geschaffen ist, als Estlands
8

rechtsmässige Volksvertretung anzuerkennen; 2) auf
Grund des § 12, Punkt 7 des Gesetzes vom 30. März (12. April
n. St.) eine Kommission zu wählen, die den Gesetzentwurf für
Estlands zukünftige Selbstverwaltung, sowie Landesverwaltung, auszuarbeiten und dem Landesrat zu unterbreiten hat;
3) die Basis, auf welcher die Ausarbeitung des Projektes zu
erfolgen hat, wäre der Grundgedanke, dass Estland ein auto­
nomer Teil des demokratischen föderativen Russlands
bleiben wird; 4) der von dem Landesrat angenommene
Gesetzentwurf kommt in der Estnischen Konstituierenden
Versammlung zur endgültigen Entscheidung.23
Alle diese Einzelheiten und noch viele andere geben ein
klares Bild davon, was der Landesrat oder der Landtag ver­
körperte. Der Landesrat war die Landesverwaltung,
welche gemeinsam mit dem Vertreter der russischen Provi­
sorischen Regierung berufen war Estland, als einen autonomen
Teil Russlands zu verwalten. Er unterstellt sich nur der Ober­
herrschaft der russischen Provisorischen Regierung und der
zukünftigen russischen Konstituierenden Versammlung.
Als was trat die russische Provisorische Regierung in der Entstehungs­
geschichte des Estnischen Freistaates auf? Am 15. März 1917 entsagte
Zar Nikolai II dem Thron. In seinem Abdankungs-Manifest heisst es: „In
diesen entscheidenden Tagen im Leben Russlands haben Wir es als unsere
Gewissenspflicht erachtet, unserem Volke die Vereinigung und Zusam­
menfassung aller Kräfte zur schnellsten Erlangung des Sieges zu erleichtern
und in Einverständnis mit der Reichsduma es für gut befunden, dem Thron
des Russischen Reiches zu entsagen und die Herrsohermacht niederzulegen.
Da Wir Uns von unserem geliebten Sohne nicht trennen wollen, übergeben
Wir die Thronfolge Unserem Bruder, dem Grossfürsten Michail Alexandrowitsch, und erteilen ihm Unseren Segen zu seiner Besteigung des Thrones
des Russischen Reiches. Wir legen es Unserem Bruder zu Pflicht auf, in
voller unverbrüchlicher Einigkeit mit den Vertretern des Volkes in den
gesetzgebenden Institutionen das Reich auf der von denselben festzule­
genden Grundlage zu regieren, und ist er gehalten dies mit seinem unver­
brüchlichen Eid zu bekräftigen. Im Namen meiner heissgeliebten Heimat
rufe ich alle getreuen Söhne des Landes zur Erfüllung ihrer heiligen
Pflicht auf, dem Zaren in den schweren Stunden der Prüfung, die das
ganze Volk zu überstehen hat, Gehorsam zu leisten und ihm zu helfen,
gemeinsam mit den Vertretern des Volkes das Russische Reich auf die
Bahn des Sieges, des Wohlergehens und des Ruhmes su lenken.“ (Samml.
der Gesetze und Verfügungen der Reg. Nr. 54 — 1917, Art. 344).
Der Grossfürst Michail Alexandrowitsch antwortete am 16. desselben
Monats in seiner Absage:
„Eine schwere Last hat mir der Wille meines Bruders auferlegt, indem
er mir den Allrussischen Zarenthron zu der Zeit des beispiellosen Krieges
und der inneren Unruhen übertrug. Gemeinsam mit dem Volk von dem
Gedanken beseelt, dass das Wohl des Landes uns das Höchste ist, bin ich

9

fest entschlossen nur in dem Falle die Oberherrschaft zu übernehmen,
wenn dies der Wille unseres grossen Volkes ist, dem es obliegt auf dem
Wege einer allgemeinen Volksabstimmung durch seine Vertreter in der
Konstituierenden Versammlung die Regierungsform und die neuen Grund­
gesetze des Russischen Reiches festzusetzen. Gottes Segen herabrufend,
ersuche ich alle Bürger des Russischen Reiches sich der von der
Reichsduma ins Leben gerufenen und mit Machtvoll­
kommenheit ausgestatteten Provisorischen Regie­
rung unterzuordnen, bis die in kürzester Zeit auf Grund der allge­
meinen, direkten, gleichen und geheimen Abstimmung einzuberufende Konsti­
tuierende Versammlung durch ihre Entscheidung über die Regierungs­
form den Willen des Volkes kundgibt.“ (Samml. der Gesetze und Verfüg.
Art. 345).

Aus obigem geht mit aller Deutlichkeit hervor, dass die
russische Provisorische Regierung, wenngleich aus der Revo­
lution hervorgegangen, die vollkommen legale Regierung
war, die auch de jure von den Fremdstaaten anerkannt
wurde.24 Als solche hatte sie in Estland ihren Stellvertreter —
den Gouvernementskommissar. Am 8. November 1917 wurde
in Petersburg die Provisorische Regierung gestürtz und die
Herrschaft der Räte setzte ein. Durch diese Umwälzung war
jegliche legale Zentralgewalt, der sich, die einzelnen Teile Russ­
lands zu unterwerfen verpflichtet gewesen wären, vollständig
vernichtet. Diesem Umstand Rechnung tragend und gleich­
zeitig veranlasst durch die am 15. November 1917 n. St. von dem
Rat der Volkskommissaren veröffentlichte Deklaration der
Rechte der Völker Russlands (Samml. der Gesetze und Ver­
fügungen der Arbeiter- und Bauernregierung Nr. 1—4, 1917),
welche u. a. „Das Recht der Völker auf freie Selbstbestimmung
anerkannte, dieses Recht bis auf die Separation und die Grün­
dung eines selbständigen Staates ausdehnend (Punkt 2)“, fasste
der Landesrat am 28. November 1917 zwei Beschlüsse, die die
Selbständigkeit des Estnischen Freistaa­
tes besiegelten. Der erste Beschluss25 hinsichtlich der
Zusammenberufung der Estnischen Konstituierenden Versamm­
lung lautete:
„Von dem Grundsätze der Selbstbestimmung der Völker ausgehend,
beschloss der Landesrat: 1) zwecks Festsetzung der Staatsordnung, der
Erschaffung einer demokratischen vollberechtigten Gewalt in Estland,
sowie der Entscheidung anderer Fragen die Estnische Konstituierende
Versammlung einzuberufen; 2) bei der Ausarbeitung des Wahlgesetzes
das entsprechende Gesetz der Allrussischen Konstituierenden Versammlung
als Basis zu nehmen, wobei die Durchführung der erforderlichen Änderun­
gen, die Herausgabe von Instruktionen, die Festsetzung der Fristen für die
Wahlen und das Zusammentreten der Versammlung, sowie die Bestimmung

10

der Mitgliederzahl der gemeinsamen Entscheidung des Präsidiums des
Landesrats, des Ältestenrates und der Landesverwaltung überlassen bleibt.“

Mit dem zweiten Beschluss26 erklärte sich der Landesrat
für den obersten Gewaltträger im Lande. Es heisst in dem­
selben:
„Da die Staatsgewalt in Russland infolge allgemeiner Ordnungslosigkeit und des gegenseitigen Kampfes einzelner Parteien brachliegt
und eine Zentralgewalt, der sich alle Teile des Reiches unterordnen
könnten, fehlt, hält es der Landesrat, als gesetzmässig auf demokratischer
Grundlage erwählte Landes- und Volksvertretung, für seine Pflicht, zum
Schutz gegen die in Russland immerzu anwachsende Ordnungslosigkeit
und die gefahrbringenden Folgen des inneren Krieges, sowie zur Sicherung
der volkspolitischen Zukunft Estlands, folgendes kundzugeben: 1) Der
Estnische Landesrat erklärt sich für den alleinigen Träger der höchsten
Gewalt in Estland, nach dessen Verordnungen und Bestimmungen sich
alle in Estland zu richten haben, bis die vom Landesrat auf Grund des
demokratischen Wahlgesetzes ehestens einzuberufende Estnische Kon­
stituierende Versammlung Zusammentritt, um durch Festsetzung der
Staatsverfassung eine endgültige gesetzgebende und regierende Gewalt im
Lande zu schaffen;.... 3) während der Zeit, da der Estnische Landesrat
nicht tagt, steht dem Präsidium des Landesrats und dem Ältestenrat
gemeinsam mit der Landesverwaltung, als der Vertreterin der höchsten
Gewalt in Estland, das Recht zu, eilige Verordnungen und Erlässe zur
Regelung des Lebens zu veröffentlichen und in Kraft zu setzen, bis der
Landesrat nach Wiederaufnahme der Sitzungen über diese Verordnungen
entscheidet.“

Gleichzeitig wurde an diesem Tage beschlossen, dem
Generalsekretariat der Ukraina anlässlich der Übernahme der
Obergewalt und der Proklamation der Ukrainischen Republik
ein Begrüssungstelegramm zu senden.27 Die angeführten Ver­
ordnungen, sowie auch andere vom Landesrat getroffenen
Massregeln lassen keinen Zweifel übrig, dass an diesem Tage
der Estnische Staat entstanden ist.
Der Bürgerkrieg beginnt. Der Landesrat obgleich von den
Bolschewisten gewaltsam aufgelöst, unterbricht aber seine
Tätigkeit nicht, so wird z. B. am 7. Dezember seitens des
Ältestenrates des Landesrates und der Landesverwaltung in
einer öffentlichen Anzeige bekanntgegeben, dass die Wahlen in
die Estnische 'Konstituierende Versammlung am 21. und
22. Januar stattfinden.28 Am 3. Dezember übergibt der Landes­
rat seinem ersten Gesandten im Auslande, Prof. A. Piip, der
mit der Vertretung der Interessen Estlands im Auslande
betraut war, die Vollmachten. Bald darauf werden auch noch
andere Gesandten für den Auslandsdienst ernannt.29 Am
19. Februar beschliesst der Ältestenrat des Landesrats ein aus
drei Personen bestehendes Rettungskomitee zu bilden, und
11

diesem bis zur Gestaltung normaler Zustände alle Staatsgewalt
zu übergeben (Staatsanz. Nr. 1 — 1918). Der Bürgerkrieg dauert
bis zum 24. Februar 1918. An diesem Tage wird das Manifest
an die Völker Estlands veröffentlicht, welches „Estland von
diesem Tage an in seinen geschichtlichen und ethnograpischen
Grenzen zum selbständigen demokratischen Freistaat“ prokla­
miert und an diesem Tage tritt die Provisorische Regierung
ihr Amt an. Im Bestände dieser Regierung waren auch Minis­
ter für nationale Angelegenheiten der Deutschen, Schweden
und Russen vorgesehen (Staatsanzeiger Nr. 1 — 1918, Tages­
befehl Nr. 5 des Rettungskomitees über die Bildung der
Regierung). Ferner erlässt das Rettungskomitee seinen Befehl
Nr. 1 an die Völker Estlands und die estnischen Truppen,
welcher u. a. vorschreibt, dass „in Anbetracht dessen, dass
der Estnische Freistaat im Manifest über die Proklamation
der Selbständigkeit seine Neutralität im gegewärtigen Kriege
erklärt hat, den estnischen Truppen, sowie den estnischen
Bürgern verboten wird, in keiner Weise an dem russisch­
deutschen Kriege teilzunehmen.“30 Am 25. Februar besetzen
die deutschen Truppen Tallinn (Reval). Die Provisorische
Regierung ist gezwungen zurückzutreten. Sie unterbricht
aber keineswegs ihre Tätigkeit: sie bleibt in ständiger Verbin­
dung mit den Vertretern Estlands im Auslande, ebenso mit den
Selbstverwaltungsmitgliedern, die das geheime Rundschreiben
der Provisorischen Regirung vom 6. März 1918 zur Direktive
für ihre weitere Tätigkeit nehmen.31 Die Okkupation Estlands
durch die deutschen Truppen dauert bis zum 11. November
1918, von welchem Tage an die Estnische Provisorische
Regierung ihre behinderte Tätigkeit wieder aufnimmt.
Am 19. November wurde eine Vereinbarung32 zwischen
dem Generalbevollmächtigten des Deutschen Reiches für die
Baltischen Lande, Herrn August Winnig, und den Vertretern
der Estnischen Provisorischen Regierung, den Herren Ver­
kehrsminister Peterson, Dr. Konik, Rechtsanwalt Birk, Kauf­
mann Puhk und Heinrich Luht, in Riga abgeschlossen, in
welchem es u. a. heisst: „1) Die oberste Regierungsmacht im
ethnographisch-estnischen Gebiet wird ausgeübt vom Estni­
schen Ministerium in Form einer Provisorischen Regierung,
die dem Estnischen Landesrat (Landtag) verantwortlich ist.
2) Die gesamte Verwaltung in diesem Gebiet wird, soweit es
nicht schon geschehen ist, vom 21. November an von den est­
nischen Verwaltungsbehörden übernommen....... 9) Die
12

Parteien sind beiderseits gewillt, die weiteren Beziehungen im
besten Einvernehmen zu regeln.“ Diese Vereinbarung kann
meiner Anschauung nach nicht anders aufgefasst werden, als
die de-facto-Anerkennung Estlands seitens des Deutschen
Reichs. Zu allem dem ernannte der Generalbevollmächtigte,
A. Winnig, Hauptmann Naumann zu seinem Vertreter bei der
Estnischen Provisorischen Regierung.33
Aus allem Vorhergesagtem folgt, dass nach dem 28. No­
vember 1917 ausser dem Estnischen Landesrat und den von
ihm gebildeten Körperschaften, keine andere Institution exis­
tierte, die sich als Trägerin der obersten Staatsgewalt in Est­
land betrachtete, oder als solche betrachtet werden konnte.
Der Bürgerkrieg endete günstig für den Landesrat. Die fak­
tische Invasion34 der deutschen Truppen konnte es nicht
ungeschehen machen, was entstanden war und weiter­
dauerte — den Estnischen Freistaat und seine legale
Regierung, den Estnischen Landesrat nebst seinen Institu­
tionen. Ich hebe hier das Wort „1 egal e“ besonders hervor, —
sei es auch dass dem Prinzip der Legalität nicht immer beson­
dere Bedeutung beigemessen wird35 — denn, wie oben aus­
geführt, wurde Estland mit dem Sturz der russischen Provi­
sorischen Regierung seiner Verpflichtungen Russland gegen­
über enthoben, andererseits könnte aber auch „in der Proklamierung des „Selbstbestimmungsrechts“ durch die Sovetregierung die Zustimmung des Altstaates Russland zur
Enstehung der durch Loslösung vom Mutterstaat neu ent­
standenen Staaten erblickt werden.“36 Die Besetzung Estlands
durch die deutschen Truppen konnte wohl faktisch die Tätig­
keit der estnischen gesetzgebenden Organe behindern,
nicht aber die Estland zur Existenz berechtigenden Vorbedin­
gungen beseitigen. Dem Umstand, dass während dieser Zeit
zwischen Russland und den Zentralmächten der Brest-Litowsker Vertrag ohne die Beteiligung Estlands unterzeichnet (am
3. März 1918) und ergänzt wurde (am 27. August 1918), ist
keine Bedeutung beizumessen, denn Estland war schon
entstanden. Der Brester Vertrag spricht bekanntlich in
dem Estland betreffenden Teil vom Zweck der Besetzung des
estländischen Territoriums durch die deutschen Truppen.37
und die ergänzende Vereinbarung — vom Verzicht Russlands
auf das estländische Gebiet,38 d. h. Russland bestätigt in einem
konkreten Fall das von ihm den Völkern früher zugestandene
Selbstbestimmungsrecht.39 Keiner von diesen Verträgen
13

könnte folglich für die Selbständigkeit Estlands grundlegend
sein. Infolge dessen ist auch das Dekret des Allrussischen
Zentral-Exekutivkomitees der Sovets vom 13. November 1918
über die Annullierung des Ehester Vertrages (Samml. der
Dekrete 1917—1918, Staatsverlag, Moskau, 1920)40 vom
Standpunkt der Selbständigkeit Estlands bedeutungslos, ebenso
auch der Artikel XV des Waffenstillstandsabkommens von
Compiegne (11. November 1918), welches die Kündigung des
Brest-Litowsker Vertrages und der ergänzenden Vereinbarung
vorsieht.41 Das russische Dekret wäre aus dem Grunde nicht
von Bedeutung, da es durch die Annullierung des BrestLitowsker Vertrages an der Tatsache des Bestehens des Est­
nischen Freistaates, dessen Gründung selbst vom Gesichts­
punkte der russischen Gesetzgebung (Deklaration der Rechte
der Völker Russlands) vollkommen gesetzmässig vor sich
gegangen war, nichts änderte. Tatsächlich verneint auch dieses
Dekret das Vorhandensein Estlands nicht, indem es erklärt,
dass „die arbeitenden Massen Russlands, Livlands, Est­
lands, Polens, Litauens, Finlands, der Krim, der Ukraine
und des Kaukasus, befreit durch die deutsche Revolution
von dem Drucke des von dem deutschen Militarismus diktier­
ten räuberischen Vertrages, nunmehr berufen sind, selbst
über ihr Schicksal zu entscheiden.“ Das geht mit aller Deut­
lichkeit daraus hervor, dass Russland in der Absicht, dem
am 22. November 1918 ausgebrochenen estnischen Freiheits­
kriege den Anschein eines Bürgerkrieges zu geben, am
8. Dezember 1918 die Unabhängigkeit der Es t ländischen
Sov et-R ep ub 1 iк deklarierte und alle sovetrussischen
„Militär- und Zivilmächte, die mit Estland in Berührung
kamen, aufforderte, „der Regierung und den Truppen der
Estländischen Sovet-Republik in ihrem Kampfe zur Befreiung
Estlands von dem bürgerlichen Joche jegliche Hilfe zu
gewären“ (Dekret vom 8. Dezember 1918, Nr. 269.)42 Ebenso
deutet das Waffenstillstandsabkommen von Compiegne,
welches Deutschland zur Kündigung des Brest-Litowsker
Vertrages und der ergänzenden Vereinbarung verpflichtet, die
Existenz der auf dem russischen Territorium entstandenen
Staaten an, indem es verlangt, dass „toutes les troupes allemandes qui se trouvent actuellement d a n s les t e r r i toi res qui faisaient partie avant la guerre de la
Russie devront.... rentrer dans les frontieres de l’Allemagne“ (XII).
14

Die Existenz Estlands als Staat erkennt dagegen der Ver­
sailler Vertrag expressis verbis an (28. Juni 1919), vornehmlich
der Artikel 349, nach welchem deutsche Truppen sich u. a. „in
keiner Weise in Massregeln zu Landesverteidigung einmischen dürfen, welche die provisorischen Regie­
rungen von Estland, Lettland und Litauen etwa ergrei­
fen.“43 Aus dem Umstand, dass nach Art. 292 dieses Ver­
trages „Deutschland anerkennt, dass alle mit Russland oder
irgendeinem Staate oder irgendeiner Regierung, deren Gebiet
früher einen Teil Russlands bildete.... vor dem 1. August
1914 oder seit diesem Tage bis zum Inkrafttreten des gegen­
wärtigen Vertrages geschlossenen Verträge, Übereinkommen
oder Abmachungen aufgehoben sind und bleiben,“44 könnte
man schliessen, dass auch die Vereinbarung, die am 19. Novem­
ber 1918 zwischen dem Generalbevollmächtigten des Deut­
schen Reichs, Winnig, und der Estnischen Provisorischen
Regierung geschlossen war,45 ihre Gültigkeit verloren habe, —
jedoch in Betracht ziehend, dass, einerseits, vom Standpunkte
des Vertrages von Versailles alle die Verträge, Übereinkom­
men usw. ausser Kraft traten, welche besonders für
Deutschland von Interesse waren und, anderer­
seits, die betreffende Vereinbarung vollkommen den Art. Art.
116, 117, 292, 293 und 433 entsprach, d. h. zugunsten eines
Gebietes abgeschlossen war, dessen Unabhängigkeit Deutsch­
land anzuerkennen und als dauernd und untastbar zu achten
verpflichtet ist (Art. 116), wäre man zur Annahme berechtigt,
dass diese Vereinbarung durch den Versailler Vertrag ihre
Gültigkeit nicht verloren hat, umsomehr, da Estland an der
Unterzeichnung des Vertrages von Versailles nicht teilgenom­
men hat.
Wenn wir alles Gesagte in Betracht ziehen, dürfte es
keinem Zweifel unterliegen, dass Estland am 28. November
1917 entstanden ist. Was das am 24. Februar 1918 veröffent­
lichte Manifest anbelangt, in welchem „Estland in seinen
geschichtlichen und ethnographischen Grenzen von nun an für
einen selbständigen demokratischen Freistaat“ erklärt wird,
so müsste dieses Manifest meines Erachtens als erste estni­
sche Verfassung angesehen werden: es setzt im schon
geschaffenen Staat die Staatsform (demokratische Republik)
fest, sieht das Staatsterritorium vor, spricht von der Institu­
tion, in deren Händen die Staatsgewalt liegt, bestätigt die
Grundrechte der Staatsbürger usw.46 Der 11. November 1918
15

aber schuf nichts Neues: an diesem Tage gab, wie schon oben
festgestellt, die am 24. Februar gebildete Provisorische Regie­
rung kund, dass sie ihre behinderte Tätigkeit wieder aufge­
nommen habe.
Es ist selbsverständlich, dass, da Estland als selbständiger
Staat schon am 28. November 1917 oder, sagen wir, selbst am
24. Februar 1918 entstanden war, die mancherseits zurzeit der
Invasion der deutschen Truppen gemachten Versuche einen
Baltischen Staat zu gründen keine Bedeutung haben. Bekannt­
lich beschloss der auf Veranlassung der estländischen und
livländischen Ritterschaft, mit Unterstützung des Oberkom­
mandos der deutschen Truppen sowie nach Gutheissung seitens
des Deutschen Reiches47 gebildete sog. vereinigte Landesrat
von Livland, Estland und Ösel in Riga, am 11. April 1918, die
vereinigten Herzogtümer Livland, Estland nebst Riga und den
vorliegenden Inseln zusammen mit Kurland in ein Staaten­
gebilde als baltisches Herzogtum zusammenzufassen und den
deutschen Kaiser zu bitten, die Herzogskrone zu übernehmen,
„damit dank dieser Personalunion eine enge Annäherung des
neuen Staates an Deutschland erfolgen könnte.“48 Durch Aller­
höchste Kabinettsorder vom 22. September 1918 erkannte
Deutschland Livland und Estland „als frei und selbständig“ an,
worüber am 27. September eine vom Kaiser unterschriebene
Mitteilung an den Vorsitzenden des Landesrates abgefertigt
wurde. Diese Mitteilung wurde erst am 16. Oktober dem Baron
Pilar von Pilchau übergeben und am 20. Oktober in der Kom­
missionssitzung des Landesrates veröffentlicht. Darauf be­
schloss der vereinigte Landesrat am 7. November 1918 die
Wahl eines zeitweiligen „Baltischen Regentschaftsrates“, der
die neue Verfassung durchführen sollte. „Ehe aber dieses
geschehen konnte, fand am 9. November der deutsche
Zusammenbruch statt. Der Kaiser dankte ab, und die neue
republikanische Regierung beeilte sich, die estnische und let­
tische Republiken anzuerkennen.“49 Es bedarf hier noch
der Erwähnung, dass die Ritterschaft, sich auf die Capitulationen und deren Confirmation vom Jahre 1710 und die Artikel
9 und 10 des am 20. August 1721 zwischen Schweden'und
Russland zu Nystadt abgeschlossenen Friedensvertrages
stützend, mit welchem der Ritterschaft u. a. die Vertretung
des ganzen Landes zugestanden wurde,50 als „verfassungs^
mässige Körperschaft“51 auftrat, wobei doch diese Akte als
nur historischen Wert besitzende überhaupt nicht und insbeson­
16

dere nach den Verordnungen der Russischen Provisorischen
Regireung vom 12. April und 4. Juli 1917 in Betracht kommen
könnten.52 Nachdem die Ritterschaft die Ungesetzmässigkeit
ihrer Handlungsweise erkannt hatte, war sie bemüht mit
Hilfe von А. О. K. 8 die von den deutschen Truppen wieder ins
Amt eingesetzten Gemeindeältesten der Vorrevolutionszeit,
sowie die Vertreter der auf Grund der „Verwaltungsordnung
für Liv- und Estland“ (Verordnungsblatt für Liv- und Estland,
herausgegeben vom А. О. K. 8, Dorpat, den 7. Juni, Nr. 24 —
1918) gebildeten Stadtverwaltungen hinzuzuziehen, um damit
im Auslande den Anschein zu erwecken, als sollte das Vorhaben
in Einverständnis mit allen Volksschichten durchgeführt wer­
den. Wie gesagt, missglückte aber die Bildung eines einheit­
lichen Baltischen Staates.53
Am 22. November 1918 brach der estnisch-russische Krieg
aus — kein innerer Krieg zwischen der bürgerlichen und der
Sovetregierung Estlands, wie es einige zu deuten suchen.54 Er
begann mit der Stürmung der Stadt Narwa, die Ende November
fiel; aber schon am 24. Februar 1919 konnte der Oberbefehls­
haber der estnischen Truppen der Regierung der Republik
berichten, dass der Feind aus den Grenzen Est­
lands vertrieben is t.55 Die Lage blieb unverändert bis
zu der am 2. Februar 1920 erfolgten Unterzeichnung des Frie­
densvertrages mit Russland. Der Zweck des Krieges russischerseits war, wie es der russische General Kostjakoff während
der Waffenstillstandsverhandlungen (auf der Sitzung v. 9. De­
zember) bemerkte, Estlands Gebietwied er zurück­
zugewinnen, da Russland auf Estland nach der Annullie­
rung des Brester Vertrages souveräne Rechte besässe.56 Russ­
land hatte das Selbstbestimmungsrecht der Völker deklariert,
hatte mit dem Dekret vom 8. Dezember 1918 die Unabhängig­
keit des Estnischen Freistaates anerkannt, — wenngleich
des estnischen Sovet-Freistaates, so immerhin des est­
nischen Staates. Der Krieg selbst wurde nach den
internationalen Methoden der Kriegführung geführt (z. B.
Kriegsgefangene wurden behalten). Am 19. November 1919
kam der Vertrag über die Geiseln57 mit Russland zum Ab­
schluss. Am 1. September 1919 erhält das estnische Aussenministerium aus Moskau ein Radiotelegramm des Aussenkommissars Tschitscherin, in welchem der estnischen Regierung
(im Radio heisst es die „Tallinner“ Regierung) der Vorschlag
gemacht wird, mit den Friedensverhandlungen zu beginnen.58
2

17

Am 31. Dezember 1919 fand die Unterzeichnung des Vertrages
über die Einstellung der Kriegstätigkeit zwischen dem Est­
nischen Demokratischen Freistaat und der
Russischen Sozialistischen Föderativen Sovet-Republik statt.50 Der Friedensvertrag wird zwischen
Estland und Russland, d. i. zwischen zwei Staaten ab­
geschlossen.60
Damit könnte ich die Übersicht über die Entstehungs­
geschichte des estnischen Freistaats beenden und zur Betrach­
tung des estnischen Staatsbürgerschaftsrechts übergehen. Im
Interesse der Vervollständigung der gegebenen Übersicht
jedoch möchte ich ein wenig bei der Entstehungsgeschichte
einiger gleichfalls als Resultat des Weltkrieges entstandenen
Staaten verweilen. Die Geschichte ihrer Entstehung beweist,
dass der von mir verteidigte Standpunkt der richtige ist, d. h.
dass der estnische Staat am 15./28. November 1917 ent­
stand.
Nehmen wir, z. B. unseren Nachbarstaat — Lett­
land. Es besteht kein Zweifel über die Zeit seiner Ent­
stehung: er entstand am 18. November 1918.61 An diesem
Tage deklarierte die vom lettischen Volksrat gebildete Regie­
rung die Unabhängigkeit Lettlands62 und dieser Tag muss als
Geburtstag Lettlands angesehen werden, wenngleich S. Meierovitz, der Leiter des im Oktober 1917 in Petersburg gebildeten
Ausschusses für auswärtige Politik des Nationalrats, noch am
14. September 1918 aus London telegraphieren konnte: „Recognition (Lettlands) assured, text in few weeks“63, und
Arthur James Balfour am 11. November 1918 von neuem auf
die der britischen Regierung am 30. Oktober desselben Jahres
gesandte Denkschrift antwortete: „Le Gouvernement de sa
Majeste considerait avec la plus profonde Sympathie les aspirations du peuple letton et son desir de se liberer du joug alle­
mand“ und dass „il etait heureux d’affirmer de nouveau
qu’il est pret ä reconnaitre le conseil national letton comme un
corps independent de fait, jusqu’ а ее que la Conference de la
paix pose les bases d’une ere nouvelle de liberte et de bonheur
pour le peuple letton.“64 Erst an diesem Tage lagen alle Vor­
bedingungen vor, die nötig sind zur Entstehung eines Staates;
wenngleich der lettische Volksrat (Nationala Padome) nicht
das, was der estnische Landesrat war, nämlich die vom Volk
gewählte Vertretung, sondern aus Vertretern der politischen
Parteien bestand65, er hatte jedoch trotzdem das Vertrauen des
18

ganzen Volkes. Von diesem Volksrat nahmen nur die kommu­
nistischen Linken und die äussersten, deutschfreundlichen
Rechten nicht teil.
Weiter würde Polen zu betrachten sein. Wie bekannt,
waren die Zentralmächte mit der Schaffung eines polnischen
Königsreichs beschäftigt66, andererseits kannten die Entente­
hauptmächte Polen schon während des Weltkrieges „comme
nation“67 an, wobei auch Russland nicht desinterressiert an der
Selbständigkeit Polens blieb.68 Polen, als selbständiger Staat,
entstand jedoch nach Abschluss der Waffenstillstands Verträge
und nachdem auf dem Territorium Polens von Polen selbst die
Regierung gebildet wurde. Schätze! sagt vollständig richtig,
dass „die Entstehung des neuen polnischen Staates frühestens
auf den 11. November 1918 datiert werden kann.“69 Auf den­
selben Standpunkt stellt sich anscheinend auch Tvardovski,
indem er sagt: „Die volle Unabhängigkeit erlangte er (der pol­
nische Staat, E. M.) erst mit dem Aufhören des Einflusses der
Okkupationsmächte, das u. a. in der Proklamierung der Unab­
hängigkeit Polens durch den Regentschaftsrat 7. Oktober 1918
Ausdruck fand.“70 Zu der Zeit waren alle Vorbedingungen
gegeben, die die Entstehung eines seltbständigen Staates be­
gründen, wobei diese Vorbedingungen bei Entstehung des est­
nischen Staates schon am 15728, November 1917 gegeben
wären, d. h. vor der deutschen Okkupation und vor Beendigung
des Weltkrieges. Daraus ersehen wir, dass die Geschichte der
Entstehung des estnischen Staates verschieden ist von dersel­
ben der Entstehung Polens. Polen entsteht nach dem Zusam­
menbruch der okkupierenden Mächte, Estland aber bevor die
Okkupation überhaupt beginnt. Der Unterschied besteht ferner
darin, dass die polnische Regierung nicht von einer vom Volk
gewählten Vertretung gebildet wird, sondern von politischen
Parteien. Die Entstehung Polens gleicht mehr der Lettlands.
Alle Akten, die bis zur vorher angegebenen Zeit (11. Nov. 1918)
Polen betreffen, bereiteten den Boden zur Entstehung des pol­
nischen Staates, sie schufen aber nicht den polnischen Staat,
während es mit Estland entgegengesetzt der Fall war: der
estnische Staat war geschaffen, weshalb alles das, was später
geschah, nur die Existenz des schon entstandenen Staates
befestigen musste.
Dasselbe sehen wir auch in der Geschichte der Entstehung
der Tschechoslovakei und Südslaviens: auch
da gehen gewisse Vorbereitungen zur Entstehung des Staates
2

*

19

voraus. Die Existenz der Tschechoslovakei kann vom 28. Ok­
tober 191871 an gerechnet werden, denn erst an diesem Tage
waren alle Vorbedingungen zur Entstehung dieses Staates ge­
geben. Damit ist aber E. Benes72 nicht einverstanden; er sagt:
„Sonst stimme ich der Meinung des Präsidenten Masaryk zu,
dass wir den rechtlichen Bestand der Tschechoslovakischen
Republik von der ersten alliierten Anerkennung nach der Pro­
klamation unserer Selbständigkeit, d. i. von der Note Pichons
vom 15. Oktober 1918 an rechnen sollen“. Die angegebene
Note73 jedoch gleichwie alle anderen Akten,74 die in Bezug auf
das Volk (Nation) der Tschechoslovakei, den in Paris befind­
lichen tschechoslovakischen Nationalrat und die tschechoslovakische Armee gegeben waren, konnten nicht den Staat
schaffen, sie konnten nur die Entstehung dieses Staates vor­
bereiten. Es kann auch nicht ungesagt bleiben, dass auch der
tschechoslovakische Nationalrat, der als Regierung de facto
von den Ententemächten anerkannt wurde, keinerlei Volks­
vertretung, sondern das Produkt der Parteien war.
Ebenso steht der Fall mit der Entstehung des König­
reichs der Serben, Kroaten und Slowenen. Als
Tag seiner Entstehung kann der 7. Dezember 191875 gerechnet
werden. Ich kaum mich nicht mit Fauchille einverstanden er­
klären, der der Meinung ist, dass wir es hier nicht so viel mit
der Entstehung eines neuen Staates, als mit der Erweiterung
eines alten Staates zu tun haben. Er sagt: „II faut citer aussi
l’Etat serbe-croate-slovene. Mais, en realite, cet Etat est moins
un Etat nouveau qu’un Etat ancien, la Serbie, considerablement
agrandi et ayant adopte une denomination nouvelle.“76 Wie be­
kannt, bildeten nach Zusammenbruch der österreichischungarischen Wehrmacht die die südlichen Teile der Monarchie
bewohnenden Südslawen „Nationale Regierungen“, die aus
„Volkskommissaren“ zusammengesetzt waren.77 Die Vertreter
dieser Regierungen bildeten in Zagreb einen Nationalrat
(Narodno Vece), der am 19. Oktober 1919 die Unabhängigkeit
des südslawischen Staates ausrief.78 Am 13. November 1918
beschloss die montenegrische Velika Narodna Skuptschina mit
dem brüderlichen Serbien in einen Staat unter der Dynastie
der Karragjorgjevice sich zu vereinigen.70 Am 24. November
1918 wurde „die Vereinigung des Staates der Slowenen, Kroa­
ten und Serben mit Serbien und Montenegro in einen einzigen
Staat“80 beschlossen. Am 1. Dezember 1918 proklamierte der
Thronregent „im Namen Seiner Majestät des Königs Peter I die
20

Vereinigung Serbiens mit den Ländern des unabhängi­
gen Staates der Slowenen, Kroaten und Serben in ein einziges
Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen.“81
Am 7. Dezember wurde die erste Regierung gebildet und
zum 20. wurde aus den Vertretern der einzelnen Vertretungen
der verschiedenen Teile des Landes die temporäre allgemeine
Skuptschina zusammengestellt.82 So entstand der neue Staat,
aber auch er entstand erst nachdem zu seiner Entste­
hung gewisse Vorbereitungen gemacht waren. So, z. B., be­
schlossen noch am 20. Juli 1917 die Vertreter der sämtlichen
Südslawen, Serben, Kroaten und Slowenen (Pakt von Korfu)
die Bildung eines gemeinsamen Staates.83 Gleich den Polen und
Tschechoslovaken hatten auch die Südslawen ihr National­
komitee (in London)84. Aber alle diese Umstände konnten noch
nicht den Staat schaffen. Der in Rede stehende Staat entstand
nachdem alle nötigen Vorbedingungen zur Entstehung dieses
Staates vorhanden waren.
Aus allem diesem sehen wir, dass die Entstehung des est­
nischen Staates anders erfolgte als die der genannten Staa­
ten. Estland entstand und kämpfte um seine Existenz; die ge­
nannten Staaten entstanden aber nachdem andere Völker diese
Entstehung errungen hatten. Die Entstehung Estlands könnte
mit der Entstehung Armeniens, Aserbeidjans, Finnlands und
der Vereinigten Staaten von Amerika verglichen werden.
Damit die Übersicht über die Entstehungsgeschichte des
Estnischen Freistaates beschliessend, können wir zur Betrach­
tung des estnischen Staatsbürgerschaftsrechts übergehen.
II.
In der vorstehenden Übersicht war ich bemüht, die An­
sicht, dass der Estnische Freistaat am 28. November 1917
entstanden sei, nach Möglichkeit zu begründen und hoffe, dass
mir dies auch gelungen ist. Von diesem Tage als dem Geburts­
tage des jungen Staates ausgehend, wären in der die Staats­
bürgerschaft betreffenden Gesetzgebung drei Zeitabschnitte zu
unterscheiden: der erste dauerte bis zum 4. Dezember 1918,
an welchem Tage die Verordnung des Landesrats vom 26. No­
vember über die Staatsbürgerschaft veröffentlicht wurde und
in Kraft trat (Staatsanzeiger Nr. 4 — 1918); der zweite schliesst
21

am 16. Nov. 1922 mit dem Inkrafttreten des von der Staats­
versammlung am 27. Oktober 1922 verabschiedeten Staats­
bürgerschaftsgesetzes (Staatsanzeiger Nr. 136 — 1922).85 In
diesen Zeitraum fällt auch der Abschluss des Friedensver­
trages zwischen Estland und Russland, die am 30. Dezember
1920 ratifizierte estnisch-lettische Konvention vom 19. Okto­
ber 1920 (Staatsanzeiger Nr. 221/222 — 1920)86 und der
zwischen dem Estnischen Demokratischen Freistaate und der
Ukrainischen Sozialistischen Sovet-Republik abgeschlossene
Vertrag sowie das dem letzteren beigefügte Übereinkommen
über die Optierung der Staatsbürgerschaft (vom 25. November
1921. Staatsanzeiger Nr. 8/9 — 1922)87, welche seitens Estlands
am 16. Dezember 1921 ratifiziert wurden. Der dritte Zeit­
abschnitt beginnt am 16. November 1922.
Hinsichtlich der ersten Periode wäre zu bemerken, dass
der Landesrat oder der Landtag in seiner damaligen Gesetz­
gebung die Staatsbürgerschaft nicht näher normierte. Infolge­
dessen entsteht die Frage, wer zu jener Zeit als estnischer
Staatsbürger angesehen wurde. Diese Frage hatte nicht nur
eine theoretische, sondern auch praktische Bedeutung, wie z. B.
in Fällen, wo die Vertreter Estlands im Auslande von den dort
lebenden Esten um Ausfertigung von Pässen angesucht wur­
den, (dass Recht der Ausfertigung von estnischen Pässen
wurde seitens der Britischen Regierung u. a. dem Vertreter
Estlands in London, Prof. A. Piip, eingeräumt)88, wo sie die
Interessen der estnischen Bürger bei den Behörden ver­
treten mussten usw. Im Zusammenhang mit dieser Frage steht
auch die Staatsbürgerschaftsfrage des sog. „Baltischen Herzog­
tums“, denn bekanntlich vertreten manche Kreise die Ansicht,
dass im Jahre 1918 ein einheitlicher Baltischer Staat mit einer
besonderen Staatsangehörigkeit gegründet worden sei.
Wie oben erwähnt, kann es keinen Staat ohne Volk geben:
fehlt dieses, so ist auch die Existenz des Staates undenkbar.
Ferner wies ich schon darauf hin, dass im neuen vom Mutter­
staate losgelösten Staat alle diejenigen Personen zu Staats­
bürgern zu zählen sind, die zur Zeit der Entstehung des Staates
innerhalb seiner Grenzen lebten und bis zu diesem Moment zur
Bürgerschaft des Mutterstaates gehörten. Prof. Piip’s Behaup­
tung, dass am 28. November 1917 als estnische Staatsbürger
de facto alle Einwohner anzusehen waren, die der administra­
tiven Gewalt des Landesrates unterstanden,83 ist meines
Erachtens nicht präzise genug, denn die administrative Gewalt

des Landesrats erstreckte sich auch auf Ausländer (Engländer,
Franzosen usw.), während hier nur von Personen, die zur
russischen Untertanschaft gehörten, die Rede sein konnte. Mit
dieser Berichtigung wäre der Auffassung des Prof. Piip bei­
zupflichten. Im allgemeinen waren aber zu jener Zeit das rus­
sische Staatsangehörigkeitsgesetz (Samml. der Gesetze, Band
IX, Ständeverfassung. §§ 836—857), sowie einzelne Normen
hinsichtlich der Staatsangehörigkeit die in den Zivilgesetzen
(Samml. der Gesetze, Band X, I Teil), im Baltischen Privat­
recht (Provinciairecht der Ostseegouvernements, Band III)
und in den Strafgesetzen (Samml. der Gesetze, Band XV) ent­
halten sind, massgebend. Nach diesen Gesetzen gehörten zur
estnischen Staatsbürgerschaft die Frauen der estnischen
Bürger und die während der russischen und estnischen
Staatsbürgerschaft der Eltern geborene Kinder. Das Aus­
scheiden aus der estnischen Staatsbürgerschaft war über­
haupt nicht möglich, da die betreffenden russischen Gesetze
diese Möglichkeit nicht vorsahen. Der § 325 des Strafgesetz­
buches verfügt, dass „Personen, die das Vaterland verlassen
und ohne Genehmigung der Regierung in ausländische
Dienste treten oder die Untertanschaft eines fremden Staates
erwerben, in Strafe verfallen und dabei in russischer Unter­
tanschaft verbleiben.“00 Was die obenerwähnte baltische
Staatsangehörigkeit anbelangt, so muss man zugeben, dass von
einer solchen überhaupt nicht die Rede sein kann, wenn man
in Betracht zieht, dass, wie oben gesagt, das Bestehen des
Estnischen Staates die Möglichkeit der Bildung eines balti­
schen Staates, zu dem auch Estland gehört hätte, ausschloss,
dass die Gründung eines solchen Herzogtums, wenngleich beab­
sichtigt, doch nur auf dem Papier verblieb und die Gesetze zu
jener Zeit das Ausscheiden aus der estnischen Staatsbürger­
schaft überhaupt nicht gestatteten. Die Personen, die sich zu
Staatsangehörigen des Baltischen Staates zählten, waren fak­
tisch entweder estnische Staatsbürger (frühere russische
Untertanen, die der Zuständigkeit des Landesrats unterstellt
waren) oder russische Untertanen bis zur Gründung des selb­
ständigen Lettischen Freistaates (18. November 1918).91
Die betreffenden russischen Gesetze fanden durch das vom
Landesrat am 19. November 1918 erlassene zeitweilige Ver­
waltungsgesetz nachträgliche Bestätigung (Staatsanzeiger Nr. 1
— 1918).92 Dieses Gesetz bestimmt: „Bis zum Erlass neuer
Gesetze oder bis zur Abänderung der ehemaligen Gesetze
23

gelten diejenigen gesetzlichen Bestimmungen, die bis zum
24. Oktober 1917 (nach dem alten Stil. E. M.) innerhalb der
Grenzen des jetzigen estnischen Staates in Kraft waren,
soweit diese Gesetze durch den Beschluss des estnischen
Landesrates, der am 15. November 1917 (a. St. E. M.) ange­
nommen wurde, durch das Manifest des Rettungskomitees vom
25. Februar 1918 und durch die früheren Verordnungen und die
vorliegende Verordnung der Provisorischen Regierung nicht
geändert sein sollten.“
Die selbständige estnische die Staatsbürgerschaft regelnde
Gesetzgebung setzt, wie im zeitweiligen Verwaltungsgesetz
(Staatsanzeiger Nr. 1 — 1918)93 vorgesehen, mit der Verordnung
des Landesrates über die Staatsbürgerschaft des Estnischen
Demokratischen Freistaates vom 26. November 1918 ein, die
am 4. Dezember 1918 mit der Veröffentlichung im Staatsan­
zeiger in Kraft trat.04 Bevor wir zur Betrachtung dieser Ver­
ordnung übergehen, wäre noch zu bemerken, dass die estni­
sche Gesetzgebung die Ausdrücke „Untertan“. „Untertan­
schaft“, „Staatsangehöriger“ und „Staatsangehörigkeit“ nicht
kennt, sonder hierfür die Bezeichnung „Staatsbürgerschaft“
und „Staatsbürger“ gebraucht. Die estnische Gesetzgebung
hat sich nach der in Frankreich geltenden Losung gerichtet:
„11 n’y a plus de sujets.“ Das ist durchaus begreiflich, denn es
ist Brauch geworden, die Bezeichnungen für obige Begriffe der
jeweils im Staate bestehenden Regierungsform anzupassen. In
einem monarchistischen Staat ergibt das Verhältnis des Indi­
viduums zum Monarchen den Begriff der Untertanschaft, in
einem republikanischen Staat dagegen wird dieses Verhältnis
als Verhältnis des Individuums zum Staat und nicht zum Organ
der Staatsgewalt betrachtet und mit „Staatsbürgerschaft“
bezeichnet. Das Individuum ist ein Untertan in einer Monarchie
und ein Staatsbürger in einer Republik.05 In der estnischen
Gesetzgebung ist die Staatsbürgerschaft aber nicht nur als Ver­
hältnis des Bürgers zum Staat gedacht. Sie ging vielmehr bei
ihrer Entwicklung von dem Gesichtspunkte aus, dass der Staat,
das aus Staatsbürgern zusammengesetzte Volk selbst ist, dass
der Bürger nicht dem Staate unterstellt ist, sondern wie der
Präsident der Tschechoslowakischen Republik, T. G. Masaryk
erklärt:06 „Der Staat bin ich“ oder bescheidener: „Auch.ich
bin der Staat.“ Darum ist es auch nicht zutreffend, wenn Villecourt behauptet: „Notre notion de nationalite s’ у traduit par
le terme de „citoyennete“ qui marque non pas la possession de
24

droits civils et politiques dans leur plenitude, mais la s u j e ti.on ä l’Etat“,07 wobei er sich auf eine mangelhafte Über­
setzung des § 27 des Grundgesetzes bezieht.08 Von der Staats­
bürgerschaft spricht „das Manifest an alle Völker Estlands“,
die temporäre Verfassung vom 9. Juni 1919 (Staatsanzeiger
Nr. 44 — 1919), ebenso das Grundgesetz, wo neben dem Artikel
über die Grundrechte der Bürger sogar der Artikel über die
Pflichten derselben fehlt. Diese sind in den anderen Artikeln
zu suchen.00
Die Verordnung des Landesrates, sowie auch alle weiteren
die Staatsbürgerschaft betreffenden Rechtsakte geben nicht den
vollen Begriff der Staatsangehörigkeit, jedoch dieser Begriff
würde auch schwer zu definieren sein. Es würde schwer sein,
besonders vom Standpunkte der estnischen Gesetzgebung
zu behaupten, dass derjenige ein Staatsbürger ist, der die
„droits civils et politiques dans leur plenitude“ besitzt, denn es
gibt auch Bürger, denen diese Rechte abgehen, die aber trotz­
dem Bürger sind. Darum geht der Landesrat auch nicht näher
auf den Inhalt der Staatsbürgerschaft ein, sondern bestimmt
nur ihre Grenzen. Die Verordnung des Landesrates erkannte
als estnische Staatsbürger Personen an, die folgenden drei
Anforderungen entsprachen: 1) Personen, die innerhalb der
Grenzen des Estnischen Freistaates leben; 2) die bis zum
24. Februar 1918 Untertanen des früheren Russischen Reiches
waren und 3) die aus Estlands Gebieten gebürtig waren oder
in den lokalen Namensverzeichnissen der Einwohner, die die
Behörden des ehemaligen Russischen Reiches hier im Lande
oder bezügl. dieses Landes führten, verzeichnet stehen (Samrnl.
der russ. Gesetze, Band IX, Ständeverfassung, Ausg. 1889,
§ 858).100 Der erste Punkt spricht nicht vom Domizil, wie es
Villecourt annimmt,101 sondern vom faktischen Aufenth а 11,102 sei es auch dass es im zweiten Abschnitt des § 1
heisst, dass infolge zeitweiliger Abwesenheit aus
Estland, deren Dauer, vom Tage der Veröffentlichung dieser
Verordnung an gerechnet, von der Provisorischen Regierung
festzulegen ist, die betreffende Person nicht des Rechts
auf die Staatsbürgerschaft verlustig geht, was
so aufgefasst werden könnte, als beziehe sich diese Bestim­
mung auf Personen, deren Wohnsitz sich in Estland befindet,
die aber zur Zeit der Veröffentlichung der Verordnung zeit­
weilig ausserhalb der Grenzen Estlands weilten. Die Dauer der
zeitweiligen Abwesenheit wurde aber von der Regierung nicht
25

festgesetzt, woraus die' Administrativpraxis folgerte, dass die
Bestimmung dieses Abschnitts unerfüllt blieb. Dass dieser
Punkt faktischen Aufenthalt vorschrieb, geht auch aus dem
Motivenbericht der Regierung zu dem im Jahre 1922 in die
Staatsversammlung eingebrachten Staatsbürgerschafts-Gesetz­
entwurf hervor, welcher besagt, dass nach Punkt 1 des § 1 des
geltenden Gesetzes (Verordnung des Landesrats. E. M.)
ursprüngliche Bewohner des früheren Estlands, die zur Zeit des
Inkrafttretens des geltenden Gesetzes zeitweilig im Auslande
weilten, zu Ausländern gezählt werden konnten.103 Wenn man
der Auffassung, dass der § 1, Punkt 1 vom Domizil spricht,
beistimmt, so müsste man, den zweiten Abschnitt des § 1 in
Betracht ziehend, bekennen, dass Personen, die ihren Wbhnsitz in Estland hatten, zur Zeit der Veröffentlichung der Ver­
ordnung jedoch ausserhalb Estlands weilten, dabei aber den
P. P. 2 und 3 des § 1 entsprachen, das Recht auf die
estnische Staatsbürgerschaft, nicht aber die
estnische Staatsbürgerschaft b e s a s s e n, d. h.
sie konnten ihre Rechte geltend machen, sie konnten z. B.
die Ausfertigung eines estnischen Passes beantragen, konnten
die russische Untertanschaft beibehalten oder die Staatsange­
hörigkeit eines anderen Staates erwerben. Ferner wenn man
von der Einleitung zum § 1 der Verordnung des Landesrats
ausgeht, die ausführt, dass die Bürgerrechte des Est­
nischen Demokratischen Freistaates unabhängig von der
Nationalität und der Konfession, allen Personen, die den vorste­
henden Bedingungen entsprechen, zustehen, so ergibt sich die
Frage, ob die betreffenden Personen ipso jure,105 d. h. gegen
ihren Willen, estnische Staatsbürger waren, oder bloss das
Recht auf die estnische Staatsbürgerschaft besassen. Nach
den einzelnen Paragraphen der Verordnung scheint es, als
wären sie estnische Staatsbürger ipso jure, jedoch aus dem
Rechtsspruch der Administrativkammer des Staatsgerichts
vom 23. N0V./7. Dez. 1923 in der Angelegenheit Adolf Pilar v.
Pilchau ist zu ersehen, dass sie über die estnischen Bürger­
rechte oder nur über das Recht auf die estnische Staats­
bürgerschaft verfügten. Das Staatsgericht führt aus:
„Der Kläger Adolf Pilar von Pilchau lebte bis zürn 3 5. Dezember 1918
innerhalb der Grenzen des Estnischen Freistaates. Da er in der Namens­
liste der Einwohner verzeichnet stand und bis zum 24. Februar 1918
Untertan des früheren Russischen Reiches gewesen ist, besass er auf
Grund der Verordnung des Landesrats, da er allen Anforderungen des § 1
genügte, die estnischen Bürgerrechte. Nach § 4 der Ver-

Ordnung konnten die Personen, die den Bedingungen des § 1 entsprachen,
falls sie aus der estnischen Staatsbürgerschaft ausscheiden wollten, mit
einem entsprechenden Gesuch vorstellig werden.......... Der Kläger hat
sich aber nicht zur estnischen Staatsbürgerschaft
bekannt, auch nicht bei den Behörden des Freistaates
Schritte zwecks Erlangung eines entsprechenden
Personalausweises unternommen, ebenso nicht den Wunsch
geäussert aus der estnischen Staatsbürgerschaft auszuscheiden, sondern hat
Estland im Dezember 1918 verlassen. Darauf hat er im Auslande
als Untertan des früheren Russischen Reichs mit einem
vom früheren russischen General-Konsul in Stockholm am 17. März 1919
ausgestellten Pass gelebt. Der Kläger hatte die volle Möglichkeit, anstatt
sich zwecks Erlangung des Passes an den russischen Konsul in Stockholm zu
wenden, die Ausfertigung eines estnischen Passes bei den Vertretern
Estlands in Schweden, oder in Deutschland, wo er später lebte, anzu­
suchen, wozu er das volle Recht hatte. Der Kläger hat dies aber
unterlassen und es für besser gehalten, Untertan des früheren Russlands
zu bleiben, denn es ist nicht zu ersehen, dass er die Staatsangehörigkeit der
Sovet-Republik erworben hätte. Da aber das Russische Reich und seine
Regierung nicht mehr existiert, so ist der Kläger als eine Person zu betrach­
ten, die zu keiner Staatsbürgerschaft irgendeines existierenden Staates
gehört.“105

Ungefähr denselben Standpukt vertrat das Staatsgericht
in seinem Urteil vom 8. Juni 1923 in der Sache des Isak Judeikin, indem es ihn als estnischen Staatsbürger nicht aner­
kannte.106
Im Punkt 2 des § 1 hat man zum Ausdruck bringen wollen,
dass die Bestimmungen desselben sich nicht auf Personen
beziehen, die die russische Staatsangehörigkeit
nach dem 24. Februar erworben haben, sowie auch nicht
auf die ehemaligen russischen Untertanen, die die Staatsbürger­
schaft eines auf dem früheren Gebiet des russischen Reiches
entstandenen Staates angenommen haben. In diesem Sinne ist
auch die Erklärung des Innenministers bezügl. der „zur früheren
russischen Untertanschaft“ gehörenden Personen zu verstehen,
nach welcher als solche alle aus den Teilen des früheren Russ­
lands herstammenden Personen anzusehen sind, sofern sie
nicht aus der früheren russischen Untertanschaft in die Staats­
bürgerschaft eines anderen, sei es auch auf einem Gebiet des
früheren Russlands entstandenen Staates übergetreten sind.107
Diese Interpretierung ist vollkommen richtig, denn, erstens,
blieb Russland immer Russland, wenngleich sich einzelne Teile
von ihm lossagten, zweitens, hängt die Zugehörigkeit zu der
Staatsbürgerschaft nicht von der Regierung oder der Staats­
form ab und, drittens, wäre es absurd vorauszusetzen, dass eine
Person, die russischer Staatsangehöriger ist, noch die russische
27

Staatsbürgerschaft annehmen könnte. Hieraus folgt, dass die
Bemerkung des Staatsgerichts in der Sache des Pilar v.
Püchau, „dass es nicht zu ersehen sei, dass der Betreffende die
Staatsbürgerschaft Sovetrusslands angenommen habe,“ und
ferner: „da das Russische Reich und seine Regierung nicht
mehr existiert, der Kläger als eine Person zu betrachten ist,
die zu keiner Staatsbürgerschaft irgendeines existierenden
Staates gehört,“108 nicht richtig ist, denn zum Staatenlosen
konnte man nur auf Grund des Dekrets der R. S. F. S. R. vom
15. Dez. 1921 über den Verlust der russischen Staatsangehörig­
keit werden.100 Ebenso versaht Villecourt auf Grund der Redak­
tion des 2. Punktes einen Unterschied zwischen den Unter­
tanen des -ehemaligen Russischen Reiches und den Staats­
bürgern Russlands zu machen. Die Verordnung des Landes­
rats verlangte von der Person, die aus der estnischen Staats­
bürgerschaft auszuscheiden gedachte, in dem diesbezüglichen
Antrag die Angabe der Staatsangehörigkeit, die sie zu erwer­
ben wünscht, sowie die Vorlegung eines Beweises über ihre
Zulassung in die neue Staatsbürgerschaft. Villecourt bemerkt
hierzu: „mais quelle etait au juste la portee de cette clause,
notamment dans son application aux „personnes de nationalite
russe“ desirant garder leur qualite de sujet de ,,1’ancien Etat
russe“? Si cette expression peut se justifier par la date meine
du decret (novembre 1918) et par le fait que le Gouvernement
sovietique n’etait pas reconnu par l’Estonie, on ne voit guere
quel certificat pouvait produire un Russe pour justifier de son
acceptation par son gouvernement dechu.“110
Der Punkt 3 des § 1 spricht von der Herkunft vom Gebiet
des Estnischen Freistaates, sowie dem Verzeichnetsein in
den laut den Ständegesetzen geführten lokalen Einwohner­
listen. Das will aber nicht besagen, dass unter der Herkunft
irgendwas anders, als das Verzeichnetsein in den örtlichen
ständischen Registern, z. B. das Geborensein auf estnischem
Gebiet, gedacht ist, so wie es Makarow annimmt111 und der
Innenminister in seinem Rundschreiben vom 15. November 1919
Nr. 6094 an die Kreis- und Stadtverwaltungen (Staatsanzeiger
Nr. 97/98 — 1919) erklärt.112 Dem ist aber nicht so: zwischen
diese beiden Begriffe wäre das Gleichheitszeichen zu stellen.
Dies bestätigt auch der Motivenbericht der Regierung des Frei­
staates (s. Anmerkung 103), in welchem die Notwendigkeit des
Umredigierens des P. 3 damit begründet wird, dass die alte
Redaktion der Annahme Raum gab, als gehörten zu den
28

ursprünglichen Bürgern auch die Personen, die auf dem Gebiet
des jetzigen Estland geboren sind. Der § 1, Punkt 3 des Staats­
bürgerschaftsgesetzes besagt: „Personen, die selbst oder deren
Eltern in den Listen der kommunalen oder Standesinstitutionen
verzeichnet standen.“ Dasselbe behauptete ferner der Innen­
minister in seiner Rede während der Beratung des Staats­
bürgerschafts-Gesetzentwurfes im Parlament. Der Abgeordnete
Bock beantragte den Punkt 3 folgendermassen zu fassen:
„Personen, die selbst oder deren Eltern auf dem das gegenwär­
tige Estland bildenden Gebiet geboren oder in den Listen
der kommunalen oder Standesinstitutionen verzeichnet stehen.“
Der Innenminister erhob gegen diesen Verbesserungsvorschlag
Einspruch, indem er bemerkte, dass „bei der Festsetzung der
Staatsbürgerschaft einer bestimmten Person der Geburtsort
niemals von ausschlagender Bedeutung sein kann_ Schon
_
im zeitweiligen Staatsbürgerschaftsgesetz (Verordnung des
Landesrats. E. M.)... waren diese drei Punkte vorgesehen,
die im vorliegenden Gesetz enthalten sind. Wenn wir nun
neue Punkte hereinnehmen, so würde sich ein Widerspruch
mit den früheren Gesetzen ergeben, was nicht wünschenswert
wäre.“113 Dasselbe besagt auch der estnisch-russische Friedens­
vertrag, — doch davon später.
Wenn man die Zahl der estnischen Staatsbürger bis
zum Moment des Inkrafttretens der Verordnung des Landes­
rats mit der Zahl, die sich nach der Anwendung des § 1 dieser
Verordnung ergab, vergleicht, so ist zu konstatieren, dass viele
nicht mehr als estnische Bürger galten. Diese Personen
konnten jedoch die estnische Staatsbürgerschaft auf dem
Wege des Deklarationsverfahrens (§ 2) erwerben; Bedingung
war hier die Ansässigkeit, d. h. das Domizil. Für die Eingabe
des betreffenden Gesuchs war eine Jahresfrist vorgesehen. Im
Gegensatz zu der aus Russland hergebrachten Ordnung gestat­
tete die Verordnung des Landesrats auch das Ausscheiden aus
der estnischen Staatsangehörigkeit (§ 4). Die Staatsbürger­
schaft der Minderjährigen wurde bis zu ihrem 18 Lebensjahre
nach ihren leiblichen Eltern, die der Ehefrau nach ihrem Manne
bestimmt. Über die Staatsbürgerschaft der unter Vormund­
schaft stehenden Personen, die den Bedingungen des § 2 ent­
sprechen, entschieden ihre gesetzlichen Vormünder, jedoch
waren erstere berechtigt nach Ablauf der Vormundschaft oder
nachdem sie das 18 Lebensjahr erreicht hatten, ihre Staats­
angehörigkeit nachträglich im Laufe eines Jahres selbständig
29

zu wählen (§ 5). Zu dieser Bestimmung wäre nur soviel zu
bemerken, als dass solche nachträgliche Entscheidung nur so­
weit durchführbar wäre, als es die Gesetzgebung Sovetrusslands ermöglicht. § 6 sah - die Erwerbung der estnischen
Staatsbürgerschaft durch Naturalisation vor. Auf diesem Weg
konnten die estnische Staatsbürgerschaft diejenigen Per­
sonen erlangen, die 5 Jahre ständig innerhalb der Grenzen
Estlands gelebt hatten. Das ergänzende Gesetz (Staatsanzeiger
Nr. 137/138 — 1920) räumt der Regierung das Recht ein, die
betreffende Frist zu verkürzen oder sogar völlig zu erlassen.
Die diesbezügliche Entscheidung unterlag der Zuständigkeit
des Innenministeriums. Bei der Aufnahme in die Staatsbürger­
schaft wurde eine Staatsbürgerschaftsgebühr im Betrage von
Mk. 1.000.— von einer Person, die ununterbrochen 5 Jahre in
Estland gelebt hatte, erhoben, von allen übrigen dagegen
Mk. 2.006.—. In dieser Form bestand die die Staatsbürger­
schaft behandelnde Gesetzgebung bis zum 16. November 1922,
d. i. bis zum Inkrafttreten des Staatsbürgerschaftsgesetzes.
Inzwischen kam, wie schon oben erwähnt, der Abschluss des
estnisch-russischen Friedensvertrages, der estnisch-lettischen
Konvention und der estnisch-ukrainische Vertrag, sowie das
letzterem beigefügte Übereinkommen über die Optierung der
Staatsbürgerschaft zustande.
Die Staatsbürgerschaft behandelt der Artikel IV des est­
nisch-russischen Vertrages. Nach diesem Artikel haben
innerhalb eines Jahres vom Tage der Ratifizierung dieses Ver­
trages die Personen nichtestnischer Herkunft, die auf dem
Gebiete Estlands wohnen und ein Alter von 18 Jahren erreicht
haben, das Recht, für die russische Staatsangehörigkeit zu
optieren, wobei der Staatsangehörigkeit des Mannes die Kinder
unter 18 Jahren und die Ehefrau folgen, es sei denn, dass
zwischen den Ehegatten eine diesbezügliche Vereinbarung
erfolgt ist. Diejenigen, die für die russische Staatsangehörig­
keit optiert haben, sind verpflichtet, im Laufe eines Jahres vom
Tage der Option das Gebiet Estlands zu verlassen, doch behal­
ten sie die Rechte auf Grundstücke, und sie haben das Recht,
all ihr bewegliches Vermögen mit sich zu nehmen. Ebenso
können die auf den Gebieten Russlands wohnenden Personen
estnischer Herkunft innerhalb derselben Frist und unter den­
selben Bedingungen für die estnische Staatsangehörigkeit
optieren. Die Regierungen beider Parteien haben das Recht,
die Aufnahme in ihre Staatsangehörigkeit zu verweigern. Im
30

Falle enstehender Zweifel versteht man unter Personen estni­
scher Herkunft solche, die entweder selbst oder deren Eltern
kommunalen oder ständischen Korporationen auf dem jetzt
Estland bildenden Gebiet zugeschrieben sind. (Anmerkung
zum Artikel IV).
Wie Makarow114 bemerkt, bestimmt der russisch-estni­
sche Friedens vertrag nicht den Kreis von Personen, die vom
Standpunkt des russischen Rechts als Bürger Estlands zu
bezeichnen sind. Meiner Meinung nach ist das vollkommen
logisch, denn der Vertrag konnte garnicht vorsehen, wer vom
Standpunkt der russischen Gesetzgebung estni­
scher Staatsbürger ist (das bestimmt bekanntlich
jeder selbständige Staat selbst). Der Vertrag, einen zwischen
zwei selbständigen Staaten geschlossenen Akt bildend, konnte
nur Bedingungen enthalten, nach denen keiner der vertragschliessenden Staaten bestimmten Personen, wenn er sie auch
nach seiner Gesetzgebung zu seinen Staatsbürgern zählte, ver­
weigern konnte, die Staatsbürgerschaft des anderen vertragschliessenden Staates zu optieren. Eine ähnliche Bedingung
enthält auch der Artikel IV, wobei man von der Voraussetzung
ausgeht, dass bestimmte Personen nach den in Estland gelten­
den Gesetzen estnische Staatsbürger sind: (ihnen ermöglicht
man die Optierung der russischen Staatsbürgerschaft), andere
aber, nach den in Russland geltenden Gesetzen russische Staats­
bürger, (denen ermöglicht man die Optierung der estnischen
Staatsbürgerschaft). Vergleicht man den Artikel IV des Ver­
trages mit den Bestimmungen des Landesrats, so lässt sich die
vollkommene Übereinstimmung derselben feststellen.115 Beson­
ders decken sich der § 1 Punkt 3 der Verordnung des Landes­
rats mit der Anmerkung zum Artikel IV. Dieser Artikel selbst
stellt wohl die Bedingung der estnischen Herkunft, die
Anmerkung erklärt jedoch, was im Zweifelfalle darunter zu
verstehen ist. Was die Frage anbetrifft, wer die russische
Staatsbürgerschaft zu optieren berechtigt war, so muss man
vom Standpunkt des estnisch-russischen Vertrages dieje­
nigen Personen für dazu berechtigt halten, die die estnische
Staatsbürgerschaft entweder nach dem §2 der Verord­
nung des L a n d e s r a t s, d. h. durch Deklaration,
oder nach dem § 6, d. h. durch Naturalisation
erlangt hatten. Doch dieses Recht hatten sie auch nach dem § 4
der Verordnung des Landesrats. Hier könnte man sagen, dass
31

ein ihnen zukommendes Recht durch Normen des internatio­
nalen Rechts sanktioniert wurde.
Vom Standpunkt ausgehend, dass die Optierung gewöhn­
lich in der Form vor sich geht, dass bei teilweisem Übergang
des Territoriums den dortigen Einwohnern gestattet wird
zugunsten desjenigen Staates zu optieren, der das Territorium
verliert, könnte man annehmen, das dieses Recht auch den in
russischer Staatsbürgerschaft stehenden Einwohnern der nach
dem Friedensvertrage an Estland übergegangenen Teile der
Gouvernements Petrograd und Pleskau zukam. Diese Frage
ist jedoch strittig, denn unter den genannten Einwohnern fanden
sich auch Personen estnischer Herkunft, d. h. Personen die
entweder selbst oder deren Eltern kommunalen oder ständi­
schen Korporationen auf dem jetzt Estland bildenden Terri­
torium, folglich obengenannte Gebiete miteinbegriffen, zuge­
schrieben waren. Zweifellos stand dieses Recht denjenigen
Personen zu, die nicht im genannten Sinne Personen estnischer
Herkunft waren. Doch kann man unter keiner Bedingung
die Ansicht Villecourt’s teilen, dass die russische Staatsbürger­
schaft auch Personen „russischer Nationalität“ („de nationalite
russe“) optieren konnten, die estnische Staatsbürger auf
Grund der Verordnung des Landesrats § 1 waren,116 denn nach
dem Artikel IV: „unter Personen nichtestnischer Herkunft“
sind nicht zu verstehen Personen russischer Nationalität, auch
nicht Personen die ausserhalb Estlands geboren sind, sondern
Personen die entweder selbst oder deren Eltern nicht kommu­
nalen oder ständischen Korporationen auf dem jetzt Estland
bildenden Gebiet zugeschrieben sind.
Vom Standpunkt der Verordnung des Landesrats können
die estnische Staatsbürgerschaft ebenfalls im Auslande
lebende Ausländer erwerben, in Russland lebende russische
Staatsbürger mit eingerechnet (§ 6). Es versteht sich von
selbst, dass Russland, als souveräner Staat inbetreff seiner Bür­
ger sich dem widersetzen könnte, jedenfalls aber enthält der
estnisch-russische Vertrag nichts, was nicht im Einklang stände
mit der Verordnung des Landesrats.
Was die sich in Estland befindenden sogenannten früheren
russischen Untertanen anbetrifft, so bezieht sich der Artikel IV
nicht auf dieselben, denn vom Standpunkt der Verordnung des
Landesrats waren sie Ausländer und zur Zeit der Vertrag­
schliessung, nach den in Russland geltenden Gesetzen, rus­
sische Staatsbürger.
32

Villecourt, der der Ansicht ist, dass der Friedensvertrag
bedeutende Änderungen in die Verordnung vom 26. November
1918 gebracht hat, weist u. a. auf folgende Änderung hin: „on
peut aussi remarquer que taudis que, par application du decret
du novembre 1918, le Statut du mari determinait celui de la
femme et des enfants de moins de 18 ans, la nationalite de la
femme et des enfants de moins de 18 ans ne suit celle du mari
et du pere Optant pour la Russie que s’il n’intervient ä ce sujet
aucun accord entre les epoux“.117 Dazu wäre zu bemerken,
dass hier kein Widerspruch zur Verordnung des Landesrats
besteht, denn der § 5, indem er vorschreibt, dass die Staats­
bürgerschaft Minderjähriger bis zu ihrem 18 Lebensjahre nach
ihren leiblichen Eltern, die der Ehefrauen nach ihren Männern
bestimmt werde, hat nur die estnische Staatsbürgerschaft
im Auge, und spricht nicht davon, was mit der Frau und den
Kindern geschieht, wenn der Mann aus der estnischen Staats­
bürgerschaft ausscheidet; aus dem § 4, der die Ausscheidung
aus der estnischen Staatsbürgerschaft behandelt, könnte
man gerade im Gegenteil folgern, dass das Ausscheiden des
Mannes aus der estnischen Staatsbürgerschaft auf die
Staatsbürgerschaft der Frau und der Kinder keine Wirkung
ausübt, sofern diese nicht selbst den Wunsch äussern aus der­
selben auszuscheiden.
Die estnisch-lettische Konvention enthält
zahlreiche Normen über die Staatsbürgerschaft, wobei sogar
viele derselben sehr weitgehende Wirkung haben.
Im Gegensatz zum estnisch-russischen Vertrage spricht
diese Konvention nicht von Personen „estnischer Herkunft“
(эстонскаго происхожденш) und „nichtestnischer Herkunft“
(не эстонскаго происхожденш), sondern von Personen „est­
nischer Nationalität“ (эстскаго происхожденш) und „lettischer
Nationalität“ (латышскаго происхожденш), dadurch das na­
tionale Moment unterstreichend.118
Der Artikkel IV bestimmt: „Personen estnischer Natio­
nalität, die am 17. Juli 1920 das Gebiet Lettlands bewohnten,
desgleichen Personen lettischer Nationalität; die um dieselbe
Zeit das Gebiet Estlands bewohnten, steht im Laufe von zwei
Jahren, von der Ratifikation dieses Vertrages an gerechnet,
das Recht zu die eigene Staatsbürgerschaft zu optieren, d. h.
die Esten die estnische, die Letten — die lettische Staats­
bürgerschaft. Zu diesem Zweck müssen die Betreffenden
3

33

dem Konsul des Landes, dessen Staatsbürgerschaft sie optie­
ren, von ihrem Wiunsch schriftliche Mitteilung machen“...
Wie aus diesem Artikel folgt, hatte der Staat, zu dessen
Gunsten die Optierung stattfand, nicht das Recht die Aufnahme
in seine Staatsbürgerschaft zu verweigern, wobei die Optie­
rung selbst auf Grund einfacher Deklaration stattfand. Zweifel­
los war das eine wichtige Änderung der Verordnung des
Landesrats, denn die Aufnahme von Ausländern in die est­
nische Staatsbürgerschaft geschah nach dem § 6 der Verord­
nung des Landesrats, durch Naturalisation, d. h. die Aufnahme
hing von der diskretionären Macht des dazu Befugten ab. Eine
weitere wichtige Änderung brachte der Artikel VII, nach
welchem bis zur Eingabe der Optierungsdeklaration sowohl die
Personen estnischer Nationalität auf lettischem: Territorium, als
auch die Personen lettischer Nationalität auf estnischem Terri­
torium, zu den Staatsbürgern desjenigen Staates gezählt wur­
den, auf dessen Territorium sie wohnhaft waren; doch erstreckt
sich diese Regel nicht auf diejenigen Personen, die vorder Rati­
fikation dieses Vertrages mit den von den Behörden desjenigen
Staates herausgegebenen Auslandpässen versehen waren,
dessen Staatsbürgerschaft sie optierten. (Anmerkung zum
Artikel VII). Demzufolge wurden zu estnischen Staats­
bürgern Personen gezählt, die es nach der Verordnung des
Landesrats nicht waren, andererseits wurden estnische
Staatsbürger zu lettischen Staatsbürgern gezählt, die nicht
mit einem estnischen Auslandpass versehen waren, d. h. sie
wurden aus der estnischen Staatsbürgerschaft ausgeschlos­
sen, obgleich die Verordnung des Landesrats überhaupt keine
Ausschliessung aus der Staatsbürgerschaft kannte. Weiter noch
als die Artikel VI und VII gingen die Artikel XIII und XIV. Der
Artikel XIII verfügt: „Personen, die auf dem Gebiet eines der
vertragschliessenden Staaten unbewegliches Eigentum be­
sitzen und auf dem Gebiet des anderen ihren Wohnsitz haben
und Personen im Besitz von unbeweglichem Eigentum, durch
welches die Grenzlinie führt, sind berechtigt im Laufe eines
Jahres von der Ratifikation dieses Vertrages an gerechnet,
laut der im Artikel VI des vorliegenden Vertrages genannten
Bedingungen, die Staatsbürgerschaft desjenigen Staates zu
optieren, auf dessen Gebiet ihr unbewegliches Eigentum sich
befindet“, während Artikel XIV seinerseits bestimmt: „Wenn
die im Artikel XIII genannten Personen von ihrem Optierungsrecht keinen Gebrauch machen, werden sie zu Bürgern des­
34

jenigen Staates gezählt, auf dessen Gebiet sie ihren Wohnsitz
haben“.
Daraus folgt, dass in den im Artikel XIII ja XIV vorge­
sehenen Fällen die Nationalität, sowie die Zugehörigkeit zur
Staatsbürgerschaft eines der Vertragschliessenden Staaten
keine Rolle spielt. Das Optierungsrecht ist abhängig von der
Lage des unbeweglichen Eigentums in einem der vertrag­
schliessenden Staaten. Befand sich das unbewegliche Eigentum
in Estland, so konnte der betreffende in Lettland lebende let­
tische Staatsbürger die estnische Staatsbürgerschaft durch
einfache Deklaration erwerben, befand sich das unbewegliche
Eigentum indessen in Lettland, so erwarb der in Estland lebende
lettische Staatsbürger die estnische Staatsbürgerschaft ipso
jure, wenn er nicht im Laufe eines Jahres die lettische Staats­
bürgerschaft optierte; wenn sich das unbewegliche Eigentum
in Estland befand, so erlangte auch der in Lettland lebende est­
nische Staatsbürger die lettische Staatsbürgerschaft, wenn er
im Laufe eines Jahres nicht die estnische Staatsbürgerschaft
optierte, d. h. er wurde aus der estnischen Staatsbürgerschaft
ausgeschlossen: endlich erwarben auf Grund des Artikels XIV
die estnische Staatsbürgerschaft die in Estland lebenden Staa­
tenlosen, wenn sie in Lettland umbewegliches Eigentum
besassen.
Laut Artikkel VIII der Konvention, folgte die Frau dem
Rechtsstand des Mannes und die Kinder unter 18 Jahren dem
Rechtsstand der Eltern, d. h. eheliche Kinder dem Rechtsstand
des Vaters oder der Mutter — Witwe, uneheliche — dem
Rechtsstand der Mutter. Adoptierte und legitimierte Personen,
die zum Zeitpunkt der Adoptierung oder Legitimierung das
Alter von 18 Jahren nicht erreicht hatten, folgten ungeachtet ihres
Alters dem Rechtsstand des Adoptierenden oder Legitimieren­
den. Staatsbürgerinnen eines der vertragschliessenden Staa­
ten, die in ehelicher Verbindung zu einem Staatsbürger des
anderen Staates standen und infolgedessen die Staatsbürger­
schaft des letzteren erlangt haben, sind berechtigt im Laufe
eines Jahres nach Auflösung der Ehe in ihre frühere Staats­
bürgerschaft zurückzutreten. Da die Konvention nicht näher
bestimmt, welche Form solche Zurücktretung zu erfolgen hat,
ist anzunehmen, dass dieselbe in Form einfacher Deklaration
geschehen könnte. Die Verordnung des Landesrats kennt nicht
solche Fälle, woraus man folgern könnte, dass der Rücktritt
der Witwe oder der geschiedenen Frau in die estnische
3*

35

Staatsbürgerschaft gewöhnlich laut § 6 der Verordnung des
Landesrats, d. h. durch Naturalisation erfolgen musste. Diese
Folgerung wäre jedoch nicht richtig, denn nach dem zeitweili­
gen Verwaltungsgesetz galten unter anderem auch die die
Staatsbürgerschaft betreffenden russischen Gesetze, sofern sie
nicht durch estnische Gesetze abgeändert waren; diese Gesetze
(Ständegesetz § 853) betstätigen jedoch, dass solch ein Rück­
tritt in Form einfacher Deklaration zu erfolgen hat, wobei
dazu nicht einmal eine Frist festgesetzt ist. Folglich bringt die­
ser Paragraph nur soweit Neues, als dass er die Rechte der
früheren estnischen Staatsbürgerinnen beschränkt, die das Un­
glück hatten mit einem lettischen Staatsbürger verheiratetzuseinWenn der estnisch-russische Friedens vertrag auch noch
einigen Grund zur Annahme gab, dass bei der Optierung
die nationale oder Rassenzugehörigkeit massgebend sei,119 ob­
gleich auch hier wie schon höher bemerkt wurde, im Zweifel­
falle immerhin ausschlaggebend war, ob die den Optierungswunsch äussernde Person, gleichgültig welcher Nationalität
sie angehörte, oder deren Eltern in den kommunalen oder
ständischen Registern des heute Estland bildenden Territo­
riums verzeichnet standen, so lässt der zwischen Est­
land und derUkraine geschlossene Vertrag vom 25. No­
vember 1921 über diesen Punkt keinen Zweifel mehr
übrig. Nach dem Artikel VI dieses Vertrages haben die von
dem zu Estland gehörigen Territorium abstam­
menden Personen, die über 18 Jahre alt sind und zur Zeit auf
dem Territorium der Ukraine ihren Wohnsitz haben, das Recht
im Laufe eines Jahres von der Ratifikation dieses Vertrages
an gerechnet die estnische Staatsbürgerschaft zu optieren.
Unter denselben Bedingungen konnten Personen n i eht­
es t n is c h e r Herku n f t, die ihren Wohnsitz auf dem
Territorium Estlands hatten, die ukrainische Staatsbürger­
schaft optieren. Wie daraus folgt, fielen die Begriffe „Herkunft
vom Estland bildenden Gebiet“ und „estnische Herkunft“ voll­
kommen zusammen.120
Das Optierungsverfahren und die Bedingungen waren in
dem dem Vertrage beigefügten ergänzenden Übereinkommen
festgesetzt. Der Art. I des Übereinkommens wiederholte den
Inhalt des Art. VI des Vertrages, ihn in dem Sinne ergänzend,
dass der Staatsbürgerschaft des Optierenden seine Kinder
unter 18 Jahren und seine Frau folgten, wenn ihrerseits nicht
der entgegengesetzte Wunsch geäussert wurde und wenn
36

zwischen den Gatten keine besondere Abmachung' betreffend
die Staatsbürgerschaft ihrer Kinder bestand. (Dasselbe ver­
fügte auch der estnisch-russische Vertrag.)
Kinder, die vor Unterzeichnung des Vertrages gesetzlich
adoptiert worden waren, genossen alle Rechte der leiblichen
Kinder. Unter Vormundschaft stehende Personen und solche,
die zu einer selbständigen Existenz unbefähigt waren, konnten
der Staatsbürgerschaft ihres Vormundes oder Kurators folgen.
Das Optierungsrecht besass auch die Witwe der Person, der
dieses Recht laut Art. I zukam, ebenfalls die Witwe und die
vor Unterzeichnung dieses Abkommens geschiedene Frau
eines Staatsbürgers der estnischen Republik oder der
ukrainischen sozialistischen Sovetrepublik, wenn sie ihr Optie­
rungsrecht auf Grund der in demselben Artikel genannten
Bedingungen begründete, wobei unmündige Kinder von Wit­
wen der Staatsbürgerschaft der Mutter zugezählt wurden,
ebenfalls die Kinder der geschiedenen Frauen, wenn dieselben
der Vormundschaft der Mutter unterstellt waren. (Anmer­
kung 1 zu Art. I.) Nach Anmerkung 2 zum Artikel I „erwarb
die Frau eines in Estland (der Ukraine) wohnhaften estni­
schen (ukrainischen) Staatsbürgers, die sich zur Zeit auf dem
Territorium der U.S.S.R. (Estland) befand, sowie ihre Kinder
und Kindeskinder unter 18 Jahren, auf Grund einer von ihnen
ausgehenden entsprechenden Mitteilung die Staatsbürgerschaft
Estlands (der U.S.S.R.)“.
Die eben zitierten Bestimmungen stehen in bedeutendem
Widerspruch zu der Verordnung des Landesrats. Inbetreff der
estnischen Staatsbürgerschaft ist besonders die Bestim­
mung der 2. Anmerkung des Art. I zu unterstreichen, die zu
dem § 5 der Verordnung des Landesrats in direktem Wider­
spruch steht. Nach letzterem sind die Frauen estnischer Staats­
bürger zu estnischen Staatsbürgerinnen zu zählen.
Die Herkunft vom Gebiet der estnischen Republik konnte
mit folgenden Dokumenten bewiesen werden: Geburts­
und Taufscheine, ständische Urkunden und Zeugnisse,
Dienstzeugnisse, Zeugnisse betr. den Bezirk der Militär­
pflicht, Schulzeugnisse und Diplome von Lehranstalten, Pässe
und sonstige Dokumente, die di e Zugehörigkeit der
betreffenden Person, oder ihrer Eltern zu
den auf dem Territorium Estlands befind­
lichem Kommunalen (Stadt und Gemeinde) oder
ständischen Korporationen bewiesen.
37

Es muss darauf hingewiesen werden, dass in allen diesen
Dokumenten die Zugehörigkeit zu den genannten Korporatio­
nen gewöhnlich vorgesehen war. Ebenso war es möglich, den
Beweis zu erbringen über die nichtestnische Herkunft von
Personen, die ihren Wohnsitz auf dem heute zur estnischen
Republik gehörenden Territorium hatten (Art. II). Ausser den
in den Artikeln I u. II genannten Personen besassen das Recht
auf Optierung der estnischen Staatsbürgerschaft noch:
a) Personen, die während des Weltkrieges aus Estland auf
ukrainisches Territorium evakuiert worden waren; b) Teil­
nehmer am Weltkriege, die aus den zu Estland gehörenden
Gebieten ins Heer berufen oder mobilisiert worden waren,
und ihren Wohnsitz in der Ukraine hatten.
Desgleichen besassen Teilnehmer am Weltkrieg nicht
estnischer Herkunft, die das Territorium Estlands bewohnten,
das Recht auf Optierung der ukrainischen Staatsbürgerschaft
(Art. III).
Laut Artikel IV war die estnische (oder ukrainische)
Staatsbürgerschaft optierende Person verpflichtet ein dem­
entsprechendes Gesuch der diplomatischen- oder Konsularver­
tretung Estlands (der Ukraine) in der Ukraine (in Estland) ein­
zureichen. Dem Gesuch mussten Dokumente beigefügt werden,
die das Optierungsrecht der betreffenden Person bewiesen
(Art. I, II u. III). Durch das Optierungsgesuch erwarb die den
Antrag stellende Person noch nicht das Recht auf die gewählte
Staatsbürgerschaft, doch wenn sie den in den Artikeln I, II
und III vorgesehenen Forderungen entsprach, so hatte der
Staat, zu dessen Gunsten optiert wurde, nicht das Recht dem
Optanten die Aufnahme in seine Staatsbürgerschaft zu ver­
weigern, und andererseits hatte der Staat, auf dessen Terri­
torium die betreffende Person lebte, nicht das Recht ihm das
Ausscheiden aus seiner Staatsbürgerschaft zu versagen.
Bei Prüfung des Art. III gewinnt man den Eindruck, als
stände derselbe im Widerspruch zum Art. VI des Vertrages
und zu den Art. Art. I und II des Übereinkommens, Es scheint,
als fiele in den im Art. III vorgesehenen Fällen das Moment
der zur Optierung unbedingt notwendigen Zugehörigkeit zu
den genannten Korporationen fort; auch scheint es als genüge
es zur Optierung der estnischen Staatsbürgerschaft, wenn
die betreffende Person einer der im Art. III genannten Forde­
rungen entspricht. Doch faktisch besteht hier kein Wider­
spruch. Das Moment der Zugehörigkeit zu den genannten
38

Korporationen blieb auch hier bestehen. Dieses Moment war
im Artikel VI des mit der Ukraine geschlossenen Vertrages
festgelegt und galt für alle Optierungsfälle. Das dem Vertrage
beigefügte Übereinkommen änderte daran nichts und konnte
nichts daran ändern, denn der Zweck des Übereinkommens
war (Art. VI, zweiter Abschnitt des Vertrages), was auch die
Einleitung zum Übereinkommen bestätigt, nur die Festlegung
des Optierungsverfahrens für Personen, die auf Grund des
Art. VI des estnisch-ukrainischen Vertrages berechtigt waren
die estnische oder ukrainische Staatsbürgerschaft zu optie­
ren. Doch wie bringen wir den Art. III des Übereinkommens
mit den Art. Art. I u. II desselben Übereinkommens und dem
Art. VI des Vertrages in Einklang? Das kann man nur in dem
Sinne erklären, dass inbetreff der im Art. III vorgesehenen
Personen die Zugehörigkeit zu Estland oder der
Ukraine gehörenden Gebieten vorausge­
setzt wird. Man setzt die Herkunft dieser Personen von
den genannten Gebieten voraus, ohne sie zu verpflichten die
im Art. II des Übereinkommens vorgesehenen Beweise zu
erbringen. Wenn den im Übereinkommen (Art. V) vorgesehe­
nen Behörden das Material fehlte, um diese Voraussetzung zu
entkräften, mussten die betreffenden Personen in die ent­
sprechende Staatsbürgerschaft aufgenommen werden. Mit
anderen Worten lastete in den im Artikel I des Übereinkom­
mens vorgesehenen Fällen der „onus probandi“ der erforder­
lichen Herkunft auf dem Optanten, während in den im Art. III
vorgesehenen Fällen des genannten Übereinkommens diese
Pflicht dem Optanten nicht auferlegt wurde, da die Pflicht das
Fehlen der erforderlichen Herkunft zu beweisen auf den die
Optierung durchführenden Behörden lastete.121
Der Optant erwarb die entsprechende (estnische oder
ukrainische) Staatsbürgerschaft von dem Augenblick an, wo
ihm das Dokument über die Ausscheidung aus der früheren
Staatsbürgerschaft eingehändigt wurde (vierter Abschnitt des
Art. IV des Übereinkommens).
In dieser Form verharrte die Gesetzgebung, betreffend die
Staatsbürgerschaft in Estland bis zum 16. November 1922, wo
das Staatsbürgerschaftsgesetz in Kraft trat. Die Notwendigkeit
dieses Gesetzes begründet der Motivenbericht der Regierung
zum Projekt des Staatsbürgerschaftsgesetzes folgendermassen: „Wie sich während des Bestehens der Republik
herausgestellt hat, entsprach das frühere, vom Landesrat
39

herausgegebene Staatsbürgerschaftsgesetz nicht allen Anforde­
rungen, die das in normale Bahnen gelenkte Leben stellte. Die
einen geregelten Leben entsprossenen Erscheinungen ver­
langten neue Bestimmungen, denen das geltende Gesetz nicht
mit hinreichender Autorität zu genügen vermochte. Einzelne
Fälle blieben vollkommen ungelöst, andere aber wurden der
allgemeinen Lage nach entschieden, da eine feste gesetzliche
Grundlage vollkommen fehlte. Eine derartige rein administra­
tive Ergänzung der lückenhaften Gesetze konnte nur zeit­
weilig geduldet werden. In Erkenntnis der anormalen Lage
setzte sich das Innenministerium zum Ziel ein Gesetzprojekt
auszuarbeiten, um die auf administrativer Erfahrung basieren­
den Verfügungen zu beseitigen und sie durch feste gesetzliche
Normen zu ersetzen.“122
Das Staatsbürgerschaftsgesetz setzt sich aus drei Haupt­
stücken zusammen: das I Hauptstück bezeichnet das Grund­
element des Volkes der estnischen Republik, bestimmt
ferner, wer zur estnischen Staatsbürgerschaft gezählt wird
ipso jure, und ermöglicht einzelnen Kategorien von Personen
ein zeitweilig erleichtertes Vefahren bei der Aufnahme in die
estnische Staatsbürgerschaft; das II Hauptstück behandelt
den Erwerb der estnischen Staatsbürgerschaft durch Natura­
lisation, während das III Hauptstück dem Ausscheiden aus der
estnischen Staatsbürgerschaft gewidmet ist.
Das Grundelement des Volkes der estnischen Republik
bilden alle „Personen, welche folgenden drei Anforderungen
entsprechen: 1) die ihren ständigen Wohnsitz bis zum Inkraft­
treten dieses Gesetzes innerhalb der Grenzen der Republik
Estland haben; 2) die bis zum 24. Februar 1918 Untertanen
des früheren Russischen Reiches waren und .bis zum Inkraft­
treten dieses Gesetzes nicht die Staatsbürgerschaft irgendeines
anderen Staates angenommen haben; 3) die selbst oder deren
Eltern in den Listen der Kommunalen oder Standesinstitutionen
auf dem das gegenwärtige Estland bildenden Gebiet verzeich­
net standen.“
Unter dem im Punkt 1. erwähnten Wohnort oder Wohn­
sitz ist diejenige Stadt, Flecken oder Gemeinde zu verstehen,
„wo die Person wegen ihres Dienstes, ihrer Arbeit oder ihres
Geschäfts ständig lebt oder wo ihr unbewegliches Eingentum
oder ihr Haushalt sich befindet“ (Richtlinien zum Staatsbürger­
schaftsgesetz, erlassen vom Innenminister am 27. Oktober 1922,
Staatsanzeiger Nr. 148/149 — 1922),123 oder mit anderen Wor­
40

ten ihr domicilium.124 Infolgedessen erweiterte sich die Zahl
der estnischen Staatsbürger bedeutend und kann sich auch
eben noch erweitern auf Rechnung von Personen, die sich zeit­
weilig im Ausland aufhalten, deren Domizil sich jedoch inner­
halb der Grenzen der estnischen Republik befindet und die
gleichzeitig den Forderungen des § 1. P. P. 2 und 3 entsprechen.
Bei Entscheidung dieser Frage ist der § 3975 und die folgenden
Paragraphen des Baltischen Privatrechts massgebend, die die
Rechtsstellung Abwesender behandeln. Denselben Standpunkt
vertritt auch das Innenministerium in seinen zahlreichen Erklä­
rungen an ausländische Vertretungen, Stadthäupter und Vor­
sitzende der Kreisverwaltungen.
Unter den Begriff der im Punkt 2 erwähnten anderen
Staaten fallen auch diejenigen Staaten, die aus den Teilen des
ehemaligen Russischen Reiches entstanden sind. (Richtlinien
zum Staatsbürgerschaftsgesetz), folglich gehört Russland
selbst nicht zu denselben, wie das auch vom Innenministerium
mehrmals erklärt worden ist.125 Infolgedessen wurden die rus­
sischen Staatsbürger, die den Forderungen des § 1 entsprachen,
ipso jure zu estnischen Staatsbürgern gezählt. Unter den
im Punkt 3 erwähnten Listen werden die Gemeindelisten, die
Namensverzeichnisse der städtischen Steuergemeinden und die
Adelsmatrikeln verstanden (Richtlinien zum Staatsbürger­
schaftsgesetz). Wie schon früher bemerkt wurde, bildet der
Punkt 3 nur eine genauere Redaktion des § 1 Punkt 3 der Ver­
ordnung des Landesrats.
Villecourt stellt fest, dass das Gesetz in diesem I Artikel
die Prinzipien des „jus domicilii“ und des „jus soll“ kombi­
niert.126 Nach meiner Auffassung liegt hier eine Kombination
der Prinzipien des „jus domicilii“ und des „jus sanguinis“ vor,
denn der Punkt 3. definiert die Herkunft als Abstammung von
den ursprünglichen Einwohnern Estlands.
Nach § 2 sind estnische Bürger: 1) Personen, welchen
die Staatsbürgerschaft auf Grund der §§ 2 und 6 der Verord­
nung des Landesrats betr. die Staatsbürgerschaft zuerkannt
worden ist; 2) Personen, welche auf Grund der von Estland
abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge als estnische
Bürger anerkannt worden sind; 3) auf dem Territorium Est­
lands oder ausserhalb desselben zur Zeit, wo ihr Vater est­
nischer Bürger war, geborene .Kinder; 4) von einer Mutter, die
estnische Bürgerin ist, ausserehelich geborene Kinder; 5) die
Frau oder Witwe eines estnischen Bürgers; 6) von einem
41

estnischen Bürger in der gesetzlichen Ordnung adoptierte
und legitimierte Kinder; 7) Minderjährige, bis 18 Jahre alte
eheliche und uneheliche Kinder von Ausländern, vom Tage der
Aufnahme ihrer Eltern in die estnische Staatsbürgerschaft,
mit Ausnahme verheirateter oder verheiratet gewesener Töch­
ter; 8) innerhalb der Grenzen Estlands gefundene Kinder, bis
das Gegenteil nicht bewiesen ist; 9) eine ehemalige estnische
Bürgerin, wenn ihre Ehe mit einem Ausländer in Estland annul­
liert worden ist, wie auch die Kinder aus dieser Ehe.
Wie aus Obenerwähntem folgt, hat das Staatsbürgerschafts­
gesetz sich zum Grundsatz des „jus sanguinis“ bekannt, wobei
der Grundsatz des „jus soli“ nur in einem Falle gilt (§ 2 P. 8).
Was die einzelnen Punkte dieses Paragraphen anbelangt,
so muss auf einzelne näher eingegangen werden. Vor allem auf
den Punkt 1. Dieser Punkt bezieht sich nicht nur auf die schon
abgeschlossenen Verträge (zwischen Estland und Russland,
Estland und Lettland und Estland und der Ukraine), sondern
auch auf die in Zukunft abzuschliessenden Verträge. Der
Punkt 6 gibt das Recht der estnischen Bürgerschaft auch
den von estnischen Staatsbürgern adoptierten Kindern, was
z. B. das deutsche Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz
vom 22. Juli 1913127 nicht kennt, doch kennt eine solche Bestim­
mung das französische „loi sur la nationalite du 10 aoüt 1927“.128
Hier ist die Einheit der Familie und die Populationspolitik aus­
schlaggebend gewesen. Als Begründung für den Punkt 9 wäre
anzuführen, dass der Gesetzgeber es vermeiden wollte, dass
seine früheren Staatsbürgerinnen und deren Kinder der Will­
kür ausländischer Gesetzgebungen preisgegeben wären, nach
denen sie sogar in Staatenlosigkeit geraten könnten. Doch
bestimmt dieser Punkt nicht, welche Rechtsstellung Frauen,
die die estnische Staatsbürgerschaft durch Heirat mit est­
nischen Staatsbürgern erworben haben (Punkt 5), nach
Annullierung dieser Ehe in Estland einnehmen. Es muss hier
vorausgesetzt werden, dass sie in estnischer Staatsbürger­
schaft verbleiben, denn der § 19, der die Ausscheidung aus der
estnischen Staatsbürgerschaft behandelt, enthält keine Bestim­
mungen für diesen Fall.
Der § 3 ermöglicht es Personen, die nur den in den Punk­
ten 1 und 2 des § 1 genannten Anforderungen entsprechen, die
estnische Staatsbürgerschaft in .deklarativer Form zu erwer­
ben, sie mussten bloss eine diesbezügliche Mitteilung mit den
erforderlichen Beweisen im Laufe von 6 Monaten, gerechnet
42

vom Tage des Inkrafttretens des Staatsbürgerschaftsgesetzes
ab, an den örtlichen Vorsitzenden der Kreisverwaltung (Exe­
kutive der Kreisselbstverwaltung) oder das Stadthaupt richten,
wenn sie bis zur Einreichung der Mitteilung wenigstens sechs
Jahre ständig ihren Wohnsitz innerhalb der Grenzen Estlands
gehabt haben. Wenn die genannten Bedingungen erwiesen
waren, musste der Vorsitzende der Kr eis Verwaltung oder das
Stadthaupt ein diesbezügliches Zeugnis betreffend die Staats­
bürgerschaft ausstellen.129 Gegen eine negative Entscheidung
konnte nur dem Friedensgericht in der Ordnung des Verwal­
tungsstreit Verfahrens eine Klage eingereicht werden (§ 4).
Der Zweck dieses Paragraphen war, staatenlosen Per­
sonen den Erwerb der estnischen Staatsbürgerschaft zu
ermöglichen, besonders den unter dem Namen „Exempten“
bekannten ursprünglichen Einwohnern Estlands, die nicht
steuerpflichtig waren und daher auch nicht in die Listen der
Gemeinde- oder ständischen Institutionen eingetragen waren,130
doch konnten auf Grund desselben Paragraphen auch russische
Staatsbürger die estnische Staatsbürgerschaft erwerben.
Nach § 5 konnten, abgesehen von den im § 1 vorgesehenen
Bedingungen die Staatsbürgerschaft auch Untertanen est­
nischer Nationalität des früheren Russischen Reichs erwerben,
die nicht die Staatsbürgerschaft eines anderen Staates ange­
nommen oder denen diese nicht zuerkannt worden war, indem
sie, innerhalb der Grenzen Estlands, dem Vorsitzenden der ent­
sprechenden Kreisverwaltung oder Stadthaupt, im Auslande
lebend, aber dem nächsten amtlichen Konsul oder diplomati­
schen Vertreter Estlands oder dem Minister des Innern im
Laufe eines Jahres, vom Inkrafttreten des Staatsbürgerschafts­
gesetzes an gerechnet, eine diesbezügliche Mitteilung sandten,
worauf seitens des bezeichneten Beamten ein diesbezügliches
Zeugnis be.tr. die Staatsbürgerschaft Estlands auszustellen war.
Dieser Paragraph bedarf keiner näheren Erläuterung, denn
der Wille des Gesetzgebers, Personen estnischer Nationa­
lität in die estnische Staatsbürgerschaft einzugliedern ist
einleuchtend — besonders diejenigen, die im Auslande in die
Kategorie Staatenloser geraten waren. Doch auf Grund des­
selben Paragraphen konnten auch russische Untertanen est­
nischer Nationalität die estnische Staatsbürgerschaft erwer­
ben. Abweichend vom § 1 Punkt 2 und § 3 spricht dieser Para­
graph nicht nur von Personen, die nicht die Staatsbürgerschaft
irgendeines anderen Staates angenommen haben, sondern auch
43

von Personen, denen diese nicht zuerkannt worden ist. Das
bildet jedoch keinen wesentlichen Unterschied.131
Der § 6 bestimmt, dass ein estnischer Bürger nicht
gleichzeitig Bürger irgendeines anderen Staates sein kann.
Wenn man in Betracht zieht, dass kein Staat berechtigt ist
etwas einem anderen Staate vorzuschreiben, so ist dieser
Paragraph so zu verstehen, dass der Gesetzgeber nur festlegen wollte, dass es gleichgültig sei, ob ein estnischer
Staatsbürger zugleich auch der Staatsbürgerschaft eines
anderen Staates angehört. Demzufolge muss man ihn,
soweit die Macht des estnischen Staates
reicht, nur als estnischen Staatsbürger behandeln, d. h.
sogar diplomatischen Schutz gewähren, wenn die betreffende
Gesetzgebung des Auslandes oder ein diesbezüglicher interna­
tionaler Vertrag das ermöglichen.
Wie bereits erwähnt, behandelt das II Hauptstück den
Erwerb der estnischen Staatsbürgerschaft durch Naturali­
sation, wobei hierher auch der Erwerb der Staatsbürgerschaft
in Deklarationsform gehört.
Im Falle von Naturalisation wird das Verhältnis der Staats­
bürgerschaft durch einen zweiseitigen Vertrag zwischen dem
Individuum, das die Aufnahme in die Staatsbürgerschaft
wünscht, und dem Staate, der sich bereit erklärt dasselbe in
seine Staatsbürgerschaft aufzunehmen, begründet. Jedoch
besteht immerhin Grund zur Annahme, worauf bei Erörterung
des § 13 näher eingegangen werden wird, dass dem Individuum
scheinbar ein Recht auf die Staatsbürgerschaft zuerkannt wird.
Für die Erwerbung der Staatsbürgerschaft auf dem Wiege
der Naturalisation oder Einbürgerung ist erforderlich, dass der
Reflektant auf die Staatsbürgerschaft wenigstens zwei
Jahre bis zum Tage der Äusserung seines Wunsches und
wenigstens ein Jahr nach der Äusserung des Wunsches
ständig auf dem Territorium der Republik gelebt hat. Ausser­
dem ist die Kenntnis der estnischen Sprache erfor­
derliches). Die Zeiteinteilung ist dem Staatsbürgerschafts­
gesetz von Georgien nachgebildet, während der Forderung der
Sprachkenntnis die Gesetzgebung der Vereinigten Staaten von
Nord-Amerika zum Vorbild diente, wobei die Forderung der
Sprachkenntnis im Estnischen so zu verstehen ist, dass der auf
Eintritt in die Staatsbürgerschaft Reflektierende, die estnische
Sprache in Wort und Schrift verstehen kann (Richtlinien zum
Staatsbürgerschaftsgesetz). Beide Bestimmungen sind voll
44

berechtigt, schon um diejenigen Personen zu beseitigen, die die
estnische Staatsbürgerschaft nur zu dem Zweck erwerben
wollen, um frei im Auslande zirkulieren zu können.
Die vorgesehenen Anforderungen hinsichtlich der Fristen
und Sprachkenntnis können jedoch bei der Aufnahme von Aus­
ländern in die Staatsbürgerschaft unbeachtet bleiben, wenn
diese besondere Verdienste auf gesellschaftlichem, staatsdienst­
lichem oder militärischem Gebiet vor der Republik haben, oder
wenn sie durch ihre Gaben, (Kenntnisse und Arbeiten bekannt
sind oder wenn sie estnischer Nationalität sind (§ 9).
Nach dem § 6 der Verordnung des Landesrats konnte die
Regierung der Republik nach freiem Ermessen die vorge­
sehenen Anforderungen hinsichtlich der Fristen fortlassen, das
Staatsbürgerschaftsgesetz bestimmt jedoch, obgleich es dem
Innenminister die Entscheidung darüber lässt, ob die genannten
Forderungen fortzulassen sind oder nicht, die Bedingungen
unter denen dieses geschehen kann. Flierbei muss darauf hin­
gewiesen werden, dass diese Vergünstigungen auch im russi­
schen Ständegesetz (§ 848) vorgesehen waren, ausgenommen
die Vergünstigung' inbetreff der Nationalität, was dadurch zu
erklären ist, dass vom Standpunkt der russischen Gesetzgebung
ein Russe nichtrussischer Untertanschaft undenkbar war.
Als Personen estnischer Nationalität sind diejenigen zu
betrachten, deren Eltern oder Väter Esten sind, bei unehelich
geborenen, wenn deren Mütter Estinnen sind (Richtlinien
zum Staatsbürgerschaftsgesetz).132
Personen, welche auf dem Wege der Einbürgerung die
Staatsbürgerschaft zu erwerben wünschen, müssen wenigstens
18 Jahre alt sein; jüngere Personen müssen hierzu die Geneh­
migung ihrer Vormünder oder Kuratoren besorgen (§ 10).
Frauen und Kinder von Ausländern können den Wunsch
nach Erwerbung der Staatsbürgerschaft, falls sie den Anforde­
rungen hinsichtlich der Einbürgerung entsprechen, unabhängig
vom Wunsch ihres Mannes oder Vaters äussern (§ 11).
Obgleich das dem Prinzip der Einheit der Familie widerspricht,
hat der Gesetzgeber, für die Freiheit des Individuums eintre­
tend und aus populationspolitischen Erwägungen, doch für
möglich gehalten diese Bestimmung einzuführen.
In der Mitteilung betreffend den Wünsch die Staatsbürger­
schaft zu erwerben, müssen angegeben sein: Name, Familien­
name, Alter, Familienstand, Staatsbürgerschaft u. s. w. des
Reflektanten (§ 12). Die Mitteilungen müssen mit den erforder­
45

liehen Zeugnissen dem Innenminister vorgelegt werden. Wenn
der Reflektant den Anforderungen hinsichtlich der Einbür­
gerung entspricht und als dem Staat und der Gesell­
schaft nicht schädlich befunden wird, wird ihm
auf Verfügung des Innenministers ein entsprechendes Zeugnis
betreffend die Staatsangehörigkeit ausgestellt, wobei gegen die
genannten Entscheidungen nicht weiter geklagt werden
kann (§ 13).
Wie aus Obengesagtem ergeht, gehört die Entscheidung
über die angeführten Sachen zur Diskretionsgewalt des Innen­
ministers,133 doch müsste diese Entscheidung motiviert sein,
denn der Innenminister könnte die Frage negativ entscheiden,
nicht weil die Person dem Staat und der Gesellschaft schädlich
ist, sondern aus irgend einem anderen Grunde; in diesem Falle
hätte man es mit einer Erscheinung zu tun, die das französische
Verwaltungsrecht „detournement de pouvoir“ nennt und die
auch vom estnischen Staatsgericht anerkannt wird.134
Folglich konnte die betreffende Person dem Staatsgericht
klagen, dass die Entscheidung nicht gesetzlich sei, entweder
weil die Motive fehlen, oder weil zur Motivierung derselben
derartige Umstände gewählt worden sind, die mit Schädlich­
keit für den Staat und die Gesellschaft nichts zu tun haben.
Besteht aber im ebenerwähnten Falle die IRlagemöglichkeit, so wäre der Standpunkt, dass nach der estnischen
Gesetzgebung Ausländer, die den Anforderungen der Naturali­
sation entsprechen, ein Recht auf die Aufnahme in die est­
nische Staatsbürgerschaft besitzen, nicht ganz unbegründet.
Als in die Staatsbürgerschaft aufgenommen gelten nur die
im Zeugnis betreffend die Staatsbürgerschaft angeführten Per­
sonen (Anmerkung zu § 13), d. h. dass in dieses Zeugnis nur
diejenigen Personen aufgenommen werden können, deren
Staatsbürgerschaft von einer in die estnische Staatsbürger­
schaft aufgenommenen Person abhängig ist. Hierher gehören
die Frau des Angenommenen (§ 2 Punkt 5) und seine Kinder
(§ 2 Punkt 7).
Vollkommen unbegründet ist der Standpunkt Villecourts,135
nach welchem „la naturalisation d’un etranger est sans effet
sur la nationalite de sa femme“.
Die von ihm angeführten Argumente sind folgende: „si ce
principe n’est pas formellement declare dans la loi, il ressort
cependant clairement: a) de la remarque faite ä Partide 13
qu’on ne peut compter comme admis dans la citoyennete que
46

les personnes mentionnees sur le certificat de citoyennete;
b) du droit reconnu par 1’article 11 ä la femme et aux enfants
d’un etranger, s’ils satisfont aux exigences de la naturalisation,
de formaler Да demande d’obtenir la citoyennete estonienne
independamment de la volonte de leur mari ou de leur pere.“
Hierzu genügt es zu bemerken, erstens, dass sobald ein
Ausländer in die estnische Staatsbürgerschaft angenommen
worden ist, er damit auch estnischer Staatsbürger wurde.
Die Frau eines estnischen Staatsbürgers ist aber nach § 2
Punkt 5 ebenfalls estnische Staatsbürgerm. Zweitens, dass
der § 11 in dem Falle Anwendung findet, wenn die Frau und
die Kinder die estnische Staatsbürgerschaft erwerben wol­
len, doch das Haupt der Familie dieses nicht wünscht, und
drittens, dass in der vom Innenminister bestätigten Form des
Zeugnisses (Richtlinien zum Staatsbürgerschaftsgesetz) die
Frau vorgesehen ist.
Im Zeugnis könnten jedoch adoptierte und legitimierte
Kinder nicht vermerkt werden, denn der Punkt 6 des § 2
spricht: von den von einem estnischen Bürger in
gesetzlicher Ordnung adoptierten und legitimierten Kindern.
Das ist so zu verstehen, dass die Adoptierung und Legitimie­
rung erst nach der Aufnahme des Adoptierenden und Legiti­
mierenden in die estnische Staatsbürgerschaft erfolgen
musste. Im entgegengesetzen Falle stände das im Gegensatz
zum Punkt 7 desselben § 2, in welchem vorgesehen ist, dass
mit der Aufnahme ihrer Eltern in die estnische Staatsbür­
gerschaft auch die ehelichen und unehelichen К i n der unter 18 Jahren die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern
erwerben. Die Adoptierung ist jedoch möglich ungeachtet des
Alters. Folglich können sie älter als 18 Jahre sein.
Andererseits erwerben uneheliche Kinder durch Legitimierung
die Rechte von ehelichen Kindern, weswegen die vor der Auf­
nahme in die estnische Staatsbürgerschaft legitimierten
Kinder unter den Punkt 7 des § 2 gehören würden.
Nach § 14 kann eine estnische Bürgerin, die mit einem
Ausländer in die Ehe getreten ist, nach dem Tode des Mannes
oder Scheidung ihrer Ehe oder Nichtigkeitserklärung der Ehe
im Ausland die estnische Staatsbürgerschaft wieder erwer­
ben, indem sie den im § 5 genannten Beamten eine diesbezüg­
liche Mitteilung zugleich mit einem entsprechenden Zeugnis
über das Aufhören ihrer Ehe sendet. Unter der Bezeichnung
„Estnische Bürgerin“ sind hier diejenigen Bürgerinnen zu
47

verstehen, die vor dem Inkrafttreten des Staatsbürgerschafts­
gesetzes die ausländische Staatsbürgerschaft durch Heirat
erwarben und infolgedessen auf Grund des russischen Stände­
gesetzes § 853 (Die Verordnung des Landesrats erwähnt
bekanntlich diesen Fall nicht) aus der estnischen Staatsbür­
gerschaft ausschieden, ferner diejenigen Bürgerinnen, die wäh­
rend der Gültigkeit des Staatsbürgerschaftsgesetzes mit einem
Ausländer in die Ehe traten, ohne den Wunsch zu äussern in
der estnischen Staatsbürgerschaft zu verbleiben (§ 19
Punkt 1), selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass sie
durch die Heirat die Staatsbürgerschaft ihres Gatten erwerben
konnten. Den Punkt 9 des § 2 mit dem § 14 vergleichend, sehen
wir, dass das Staatsbürgerschaftsgesetz einen Unterschied
macht zwischen der Annullierung der Ehe in Estland und der
Annullierung derselben im Ausland: im ersten Falle wird die
Frau und ihre Kinder ipso jure in die estnische Staatsbürger­
schaft aufgenommen, während im zweiten Falle die Frau die
estnische Staatsbürgerschaft durch eine entsprechende Mit­
teilung erwirbt, wobei den Kindern nicht einmal dieses ermög­
licht ist. Der Unterschied ist dadurch zu erklären, dass im
ersten Falle die Annullierung der Ehe auf estnischem Terri­
torium geschah, im Wirkungskreis der estnischen Gesetz­
gebung, während im zweiten Falle die Annullierung im Aus­
lande geschah, wohin die Macht der estnischen Gesetzgebung
nicht reicht.
Die Kinder einer im § 14 genannten Witwe oder geschie­
denen Frau, desgleichen einer ständig innerhalb der Grenzen
der Republik lebenden estnischen Bürgerin, die einen Aus­
länder geheiratet hat, erwerben die estnische Staatsbürger­
schaft, wenn sie 18 Jahre alt geworden, im Laufe eines Jahres
in der im § 14 festgesetzten Ordnung nicht den Wunsch äus­
sern, in der Staatsbürgerschaft ihres Vaters zu verbleiben (§ 15).
Zum Vorbild für diesen Paragraphen diente teilweise der
§ 854 des russischen Ständegesetzes. Im allgemeinen muss
darauf hingewiesen werden, dass das Leitmotiv zu diesem
Paragraphen der Wunsch bildete, alle von estnischen Staats­
bürgerinnen geborene Kinder in der Staatsbürgerschaft Estlands
d. h. der Mutter zu sehen. Was die innerhalb der Grenzen
Estlands ständig lebenden estnischen Bürgerinnen anbetrifft,
so sind hierunter diejenigen estnischen Bürgerinnen zu
verstehen, die bei der Heirat mit einem Ausländer die Forde­
rungen des § 19 Punkt 1 erfüllt haben. Es ist selbtstverständlich.
48

dass hier Konflikte entstehen können. Die Beseitigung solcher
Konflikte wäre möglich, wenn ein gemeinsames Staatsbürger­
schaftsgesetz existierte, das wäre jedoch vom Standpunkt der
Souveränität der Staaten unmöglich.
Frühere estnische Bürger, die aus der Staatsbürger­
schaft entlassen worden sind, und auch diejenigen früheren
Bürger, die infolge von Minderjährigkeit mit ihren Eltern aus
der estnischen Staatsbürgerschaft entlassen worden sind,
können in derselben, im § 14 vorgesehenen Ordnung die est­
nische Staatsbürgerschaft widererwerben (§ 16).
Nach der estnischen Gesetzgebung ist, ebenso wie nach
der französischen, ein früherer estnischer Staatsbürger kein
richtiger Ausländer, sondern ein in seine Familie zurückkehren­
der „verlorener Sohn“.136 Was die wegen Minderjährigkeit aus
der estnischen Staatsbürgerschaft zusammen mit ihren
Eltern Ausgeschiedenen anbetrifft, so gewährt man ihnen,
gerade deshalb, weil sie bei der Ausscheidung ihrer Eltern aus
der estnischen Staatsbürgerschaft nicht ihrem Willen Aus­
druck geben konnten, die Möglichkeit nachträglich ihren
Wunsch zu äussern. Diesen Wunsch können sie entweder
selbständig äussern, nachdem sie 18 Jahre alt geworden sind
(§§ 10 und 15) oder früher mit Zustimmung ihrer Kuratoren
oder Vormünder (§ 10).
Die estnische Staatsbürgerschaft wird vom Tage der
Ausstellung des Zeugnisses betreffend die Staatsbürgerschaft
an gerechnet (§ 17). Unter dem Tage der Ausstellung ist, ent­
sprechend der Praxis, der Tag zu verstehen, an dem das
Zeugnis zur Einhändigung fertiggestellt war.
Den Überblick des II Hauptstückes abschliessend, wäre
noch hinzuzufügen, dass die im Naturalisationsverfahren auf­
genommenen Personen eine Staatsbürgerschaftsgebühr zu leis­
ten haben,137 und nämlich diejenigen, die innerhalb der Grenzen
der Republik mindestens zwei Jahre ständig gelebt haben im
Betrage von 20 Kronen (Eine Krone circa 90 deutsche Pfen­
nige), alle anderen, d. h. diejenigen, die die estnische Staats­
bürgerschaft laut § 9 erwerben, 30 Kronen, während von den­
jenigen Personen, die die Staatsbürgerschaft auf Grund der §§ 4,
5, 14 und 16 erwerben, keine Staatsbürgerschaftsgebühr erho­
ben wird (Richtlinien zum Staatsbürgerschaftsgesetz).
Das III Hauptstück normiert die Ausscheidung aus der
estnischen Staatsbürgerschaft. Das Staatsbürgerschafts­
gesetz vertritt den Standpunkt, dass die Ausscheidung aus der
4

49

estnischen Staatsbürgerschaft, d. h. die Veränderung der
Staatsbürgerschaft, ein Recht des Ausscheidenden bildet.138 Im
Einklang mit dem s. g. „französischen Prinzip“,139 welches das
Ende der Staatsbürgerschaft vom Erwerb einer anderen Staats­
bürgerschaft abhängig macht, erkennt das Staatsbürgerschafts­
gesetz, wie aus Folgendem ergeht, das Recht des Individuums
auf Änderung, nicht aber auf willkürliche Beendigung
der Staatsbürgerschaft an, d. h.' der estnische Staatsbürger
gilt als entlassen aus der estnischen Staatsbürgerschaft,
wenn er die Bürgerschaft eines anderen Staates erworben hat.
Der § 18 des Staatsbürgerschaftsgesetzes bestimmt: „Die
Staatsbürgerschaft der Republik Estland hört mit der Entlas­
sung aus der Staatsbürgerschaft auf“, dabei gelten für aus der
Staatsbürgerschaft entlassen: 1) mit Ausländern in die Ehe
getretene estnische Bürgerinnen, wenn sie im Laufe von
zwei Wochen den im § 5 vorgesehenen Beamten gegenüber
nicht den Wunsch äussern, in der estnischen Staatsbürger­
schaft zu verbleiben; 2) in der im § 20 vorgesehenen Ordnung
aus der Staatsbürgerschaft entlassene Personen (§ 19).
Was den Punkt 1 des zitierten Paragraphen anbelangt, so
gilt er nur unter Voraussetzung, dass eine estnische Bür­
gerin, mit einem Ausländer (auch Staatenlose mitgezählt)
in die Ehe tretend, die Möglichkeit hatte die Staatsbür­
gerschaft des Mannes zu erwerben. Deshalb ist der Standpunkt
Villecourts140 als vollkommen falsch anzusehen, nach welchem:
„on ne trouve pas dans ce texte la reserve introduite dans la
legislation frangaise par la loi de 1889 et figurant de meine dans
nombre de lois etranger es, ä savoir que la fernme ne perd sa
nationilite d’origine par son mariage avec un etranger qu’autant
qu’elle acquiert la nationalite de son mari. D e c e f a i t, E s t onienne mariee ä un etranger peut se trouver
sans nationalite“. Gerade der Umstand, dass die est­
nische Bürgerin von ihrem Wunsche in der estnischen
Staatsbürgerschaft zu verbleiben Mitteilung machen muss,
beweist, dass der Gesetzgeber nur mit dem Falle gerechnet
hat, wo mit der Heirat auch der Erwerb der fremden Staats­
bürgerschaft verbunden ist; ferner äussert sich der Motivenbericht zum Staatsbürgerschaftsgesetz darüber folgendermassen: „Für Personen weiblichen Geschlechts gilt im allgemeinen
die Regel, dass sie bei der Eh'e Schliessung die
Staatsbürgerschaft ihres Mannes erwerben.
Um den Staatsbürgerinnen der Republik dennoch zu ermög50

liehen auch bei Eheschliessung mit Ausländern die estnische
Staatsbürgerschaft beizubehalten, ist im Gesetzprojekt für
solche Fälle die Form der Mitteilung vorgesehen. Ob­
gleich das dem Grundsatz der Einheit der Familie
widerspricht, muss man das vom Standpunkt der Freiheit des
Individuums für notwendig und gerecht ansehen“.141 Ausserdem
wäre das garnicht in Einklang zu bringen mit der Idee und dem
zu verfolgenden Zwecke des Staatsbürgerschaftsgesetzes —
besonders aber stände das im Widerspruch mit dem § 20 des
Staatsbürgerschaftsgesetzes. Infolgedessen ist in der Verwal­
tungspraxis folgerichtig daran festgehalten worden, dass eine
estnische Staatsbürgerin, die mit einem Staatenlosen oder
Ausländer in die Ehe tritt, in dessen Gesetzgebung (z. B. Ver­
einigten Staaten von Nord-Amerika) es nicht vorgesehen ist,
dass die Frau die Staatsbürgerschaft des Mannes erwirbt, est­
nische Staatsbürgerin bleibt, ungeachtet dessen, ob sie eine
entsprechende Mitteilung gemacht hat oder nicht.
Nach dem § 20 müssen Bürger der Republik Est­
land, wenn sie aus der Staatsbürgerschaft auszuscheiden
wünschen, dem Innenminister eine diesbezügliche Mitteilung
einreichen, wofür Minderjährige bis zum 18. Lebensjahr der
Genehmigung der Eltern oder Vormünder bedürfen. In der
Mitteilung muss erwähnt sein, die Untertanschaft
welchen Staates zu erwerben gewünscht
wird, ebenso muss der Mitteilung der erforderliche Beweis
des Einverständnisses des anderen Staates beigefügt
sein. Wenn der Bittsteller nicht im Militärdienst steht und die
sonstigen auf einem Bürger lastenden Verpflichtungen142 erfüllt
hat, entscheidet der Innenminister über die Entlassung des
Bittstellers aus der Staatsbürgerschaft. Steht aber der Bitt­
steller im Militärdienst, dann ist der Mitteilung noch die Ge­
nehmigung des Kriegsministers beizufügen.143 Gegen eine Ent­
scheidung des Innenministers kann in Ordnung des Verwal­
tungsstreitverfahrens dem Staatsgericht geklagt werden.
Wie aus diesem Paragraphen ergeht, wird niemand aus der
estnischen Staatsbürgerschaft entlassen, oder richtiger, man
erteilt ihm nicht die Erlaubnis zum Übergang in eine andere
Staatsbürgerschaft, wenn das Einverständnis des betref­
fenden Staates nicht vorgelegt worden ist. Was bedeutet das?
Das bedeutet, dass man die estnische Staatsbürgerschaft
gegen eine andere Staatsbürgerschaft eintauschen kann, nicht
aber einfach aus ihr ausscheiden — ins Ungewisse. (Das s. g.
4*

51

französische Prinzip, von dem vorher die Rede war.) Wenn
dieses Prinzip für den Punkt 2 des § 19 gilt, so gilt es auch für
den Punkt 1 desselben Paragraphen.
Was die Vorweisung des Einverständnisses anbelangt, so
können hiermit gewisse Schwierigkeiten verbunden sein. Ein­
zelne Staaten könnten einverstanden sein das Einver­
ständnis zur Aufnahme zu geben, andere jedoch
könnten die Naturalisation verlangen, doch im Einklang mit
dem § 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes und den früher an
dasselbe geknüpften Erläuterungen, muss letzteres bei der
Entlassung aus der estnischen Staatsbürgerschaft nur als
Einverständnis aufgefasst werden.
Es könnte auch der Fall eintreten, dass das Einverständnis
früher gegeben, später aber nicht eingehalten würde. In diesem
Falle wäre laut dem im § 20 erläuterten Grundsatz, dass die
Expatriierung eines Bürgers nur von dem Moment an in 'Kraft
tritt, wo der aus der Staatsbürgerschaft Ausscheidende die
neue Staatsbürgerschaft erworben hat, der aus der est­
nischen Staatsbürgerschaft Entlassene als estnischer Staats­
bürger anzusehen.
Nach § 21 verliert die Entlassung aus der Staatsbürger­
schaft ihre Gültigkeit, falls die entlassene Person ein Jahr lang,
gerechnet vom Tage der endgültigen Entscheidung betreffend
die Entlassung, ständig innerhalb der Grenzen der Republik
leben bleibt.144
Dasselbe bestimmen unter anderem auch die früher behan­
delten internationalen Verträge.145
Der Motivenbericht bemerkt hierzu, dass ,,im entgegen­
gesetzten Falle die Entlassung zu einem Befreiungsmittel von
den Staatsbürgern auferlegten Lasten ausarten könnte“.146
Die Entscheidung betreffend die Entlassung bezieht sich
nicht auf über 18 Jahre alte Kinder der zu entlassenden Per­
son, wie auch nicht auf ihre Frau, wenn letztere nicht den
Wunsch äussert, aus der Staatsbürgerschaft auszuscheiden;
Kinder unter 18 Jahren erwerben die neue Staatsbürgerschaft
des Vaters nur mit Einverständnis ihrer Mutter ('§ 22).147 Im
Zusammenhang mit dem § 20 entsteht hier die Frage, ob die
Ehefrau das Recht hat selbständig, ohne Zustimmung ihres
Mannes aus der estnischen Staatsbürgerschaft auszuschei­
den. Villecourt148 bemerkt hierzu: „Les femmes mariees doivent de meme etre considerees, comrne le possedant. Mais
l’autorisation du mari est-elle necessaire? La loi est muette
52

sur ce point. Elle se borne ä dire que la liberation du mari ne
s’etend pas ä la femme, si celle-ci n’a pas formulee elle-meme
le desir d’etre liberee de la citoyennete estonienne. Il semble
donc que la femme ait un pouvoir propre de determination.
La loi reconnaissant (art. 11) ä la femme d’un etranger le droit
de formuler la demande d’obtenir la citoyennete estonienne
independamment de la volonte du mari, il est logique de penser
que la loi a voulu accorder le meme pouvoir ä la femme esto­
nienne desirant quitter sa nationalite d1’origine“. Diese Meinung
ist vollkommen falsch. Der § 22 sieht nur zwei Fälle vor,
entweder dass Ausscheiden aus der estnischen Staats­
bürgerschaft zusammen mit dem Manne nach Äusserung eines
diesbezüglichen Wunsches, oder das Verbleiben in der estni­
schen Staatsbürgerschaft. Tertium non datur, denn nach dem
Punkt 5 des § 2 ist die Frau eines estnischen
Staatsbürgers estnische Staatsbürgerin, was
so zu verstehen ist, dass der Übergang der Ehefrau in
eine andere Staatsbürgerschaft nur zusammen mit dem Manne
erfolgen kann. — Sie kann wohl selbständig nach Entlassung
des Mannes aus der estnischen Staatsbürgerschaft entlassen
werden, doch ausschliesslich in die Staatsbürgerschaft ihres
Gatten.
Damit wäre das III Hauptstück und der Überblick dessel­
ben abgeschlossen. Es wäre nur noch hinzuzufügen, dass das­
selbe Hauptstück noch zwei Paragraphen enthält. Einer von
diesen (§ 23) ermächtigt den Innenminister zur Ausführung des
Gesetzes ergänzende Verordnungen und Richtlinien zu erlas­
sen, der andere weist darauf hin, dass mit dem Inkrafttreten
des Gesetzes die Verordnung des Landesrats betreffend die
Staatsbürgerschaft ihre Gültigkeit verliert.
Zum Schluss noch einige Worte über die Staatenlosen.
Theoretisch dürfte zu denselben keine vom estnischen
Territorium abstammende Person gehören, die selbst oder
deren Eltern in den Listen der Kommunalen oder Standes­
institutionen dieses Gebiets verzeichnet standen, ungeachtet
dessen, ob die betreffende Person sich in Estland oder im Aus­
lande aufhält, denn ausschlaggebend ist sein Domizil, be­
sonders da nach dem § 3073 des Baltischen Privatrechts „man
an zwei oder mehreren Orten zugleich domiciliert sein kann,
wenn man sie gleichmässig als Hauptpunkte seiner Verhält­
nisse und Geschäfte behandelt, und unter sie, je nach Bedürfnis,
seinen Aufenthalt verteilt“.
53

Hierbei muss noch darauf hingewiesen werden, dass die
Praxis den Begriff der Herkunft vom estnischen Territorium
auch auf diejenigen Personen ausdehnt, die im Matrikel des
livländischen Adels verzeichnet standen, deren Güter sich aber
in den im Jahre 1917 an das Estländische Gouvernement ange­
gliederten Teilen des Livländischen Gouvernement befanden.
In Staatenlosigkeit konnten folglich nur diejenigen vom
Gebiet Estlands abstammenden Personen geraten, die zur Zeit
des Inkrafttretens des Staatsbürgerschaftsgesetzes (16. Novem­
ber 1922), nach der Verordnung des Landesrats noch nicht zur
estnischen Staatsbürgerschaft gehörend, ihr Domizil aus Est­
land anders wohin verlegt hatten. Vor der Verordnung des
Landesrates, betreffend die Staatsbürgerschaft, welche bekannt­
lich am 4. Dezember 1918 in Kraft trat, gehörten aber die
genannten Personen zur estnischen Staatsbürgerschaft,
weshalb dieselben, als die estnische, nicht aber die rus­
sische Staatsbürgerschaft verlorene Personen zu betrachten
sind.
Von diesem Standpunkt ausgehend, könnte man nicht mit
Bestimmtheit sagen, dass diese oder jene vom estnischen
Gebiet abstammende Person, die gegenwärtig als Staatenlos
auftritt, auch tatsächlich staatenlos ist. Mir persönlich scheint
es, dass unter ihnen sich viele estnische Staatsbürger befin­
den, die jedoch noch nicht ihre Rechte geltend gemacht haben.
Deshalb müsste die Staatsbürgerschaftsfrage einer jeden der­
artigen Person unabhängig von anderen, oder von der Frage
im allgemeinen behandelt werden. Desgleichen müsste auch
die Frage der Staatsbürgerschaft derjenigen Person gelöst
werden, die nach dem Artikel XIV der estnisch-lettischen
Konvention in die estnische Staatsbürgerschaft gehören
müssten, die jedoch, vielleicht sogar auf estnischem Gebiet
lebend, als Staatenlose auftreten.
Bekanntlich konnten nach dem Artikel XIII dieser Kon­
vention, Personen im Besitz von unbeweglichem Vermögen auf
dem Gebiet eines der vertragschliessenden Staaten, die ihren
Wohnsitz auf dem Gebiet des anderen Staates hatten — im
gegebenen Falle Personen, deren unbewegliches Vermögen in
Lettland lag, die jedoch selbst zu der Zeit in Estland lebten
— und Personen im Besitz von unbeweglichem Vermögen
durch das die' Grenzlinie hindurchgeht, im Laufe eines Jahres
von der Ratifikation dieses Vertrages an gerechnet, die Staats­
bürgerschaft jenes Staates optieren, in dem sich ihr unbeweg­
54

liches Vermögen befand. Sofern diese aber ihr Recht auf
Optierung der lettischen Staatsbürgerschaft nicht benutz­
ten, mussten sie auf Grund des Artikels XIV zu estnischen
Staatsbürgern gezählt werden.
Aus alledem ergeht, dass die Staatenlosigkeit so­
wohl der vom estnischen Gebiet abstammenden Personen,
als auch derjenigen, die auf Grund der genannten Konvention
das Recht auf die estnische Staatsbürgerschaft hatten, eine
Frage ist, die in jedem einzelnen konkreten Falle eine selbstän­
dige Lösung verlangt.

55

Anmerkungen.
1. Prof. Dr. S. v. C s e к e y, Die Verfassungsentwicklung Estlands,
Jahrbuch des öffentlichen Rechts, В. XVI, 1928. S. 170, Fussnote 3,
Separatabdruck, Verlag von J. С. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen
1928 (weiter zitiert unter Csekey); Prof. A. PiLp, Rahvusvahelise
õiguse süsteem (Das System des Völkerrechts). Tartu (Dorpat), 1927,
S. 42—45 (weiter zitiert unter Piip); derselbe, Iseseisvuse esipäevilt (Aus den ersten Tagen der Selbständigkeit) im „Iseseisvuse tuleku
päevilt“ (Aus den Tagen vor der Selbständigkeit) Tartu (Dorpat), 1923;
derselbe, Kümme aastat rippumatust (Zehn Jahre Unabhängigkeit),
„Vaba Maa“ (Das Freie Fand) Nr. 280 —• 1927; derselbe, Vabariigi
kümnes aastapäev (Der zehnte Jahrestag der Republik), „Vaba Maa“
Nr. 46, 1928; derselbe, Эстонская внешняя политика за 10 лкт.
(Die estnische Aussen Politik im Laufe von 10 Jahren), «Сегодня»
(Heute) Nr. 52, 1928; derselbe, Eesti esindajad välismaal (Die
Vertreter Estlands im Ausland), „Kaitse Kodu“ (Schütze das Heim)
Nr. 3 — 1928; derselbe, Eesti de jure tunnustamine (Die Anerken­
nung Estlands de jure), „Kaitse Kodu“ Nr. 4 — 1929; Gaston Gail­
lard, L’Allemagne et Le Baltikum, Paris, 1919, S. 77 "(weiter zitiert
unter Gaillard); M. Martna, Estland, die Esten und die estnische
Frage, Olten, 1919 (weiter zitiert unter Martna); A. Tarn mann,
Eesti iseseisvuse teel (Estland auf dem Wege zur Selbständigkeit),
Reval, 1923, S. 90 (weiter zitiert unter Tammann); W. S tanke vitsch, Судьбы народов Россш. (Die Schicksale der Völker Russ­
lands), Berlin, 1921, S. 191; Pour l’Estonie independante, Copenhague,
1918, S.5; E. Maddison, La legislazione del 1925 in Estonia, Annuario di Diritto Compiarato e di Studi Legislativi vol. I. Rom., 1927, (auch
Separatabdruck); derselbe, Samorzad terytorjalny Estonij (Die
örtliche Selbstverwaltung in Estland), „Gazeta administracij i Policij
Panstwowej“, Nr. 3, Warschau, 1928; derselbe, 24. veebruari puhul
(Zum 24. Februar), „Eesti Politseileht“ (Estnisches Polizeiblatt),
1928, Nr. 81, S. 115 (weiter zitiert unter Maddison); E. M a d d i s о n u.
O. Angelus, Das Grundgesetz des Freistaats Estland, Berlin, 1928,
S. 1 (weiter zitiert unter Maddison — Angelus); J. Kukk, Kaks
„ülevõtmist“ (Zwei „Übernahmen“), im „Iseseisvuse tuleku päevilt“
(Aus den Tagen vor der Selbständigkeit), Tartu (Dorpat), 1923.
2. E. Laaman, Iseseisvuse sünd (Die Geburt der Selbständigkeit),
„Kaitse Kodu“ (Schütze das Heim) Nr. 3 — 1928; M. Morrison,
Punane Tallinn (Das rote Reval), Reval, 1921; Rasmus KangroP о о 1, Balti saksluse viimased vägimehed (Die letzten Machthaber des
baltischen Deutschtums), Tartu (Dorpat) 1918, S. 15; Hans Kruus,

56

3.

4.
5.
6.
7.

Saksa okupatsioon Eestis (Die deutsche Okkupation in Estland),
Tartu (Dorpat), 1920, S. 15; H. Pöögelmann, Mis vaheajal sündis
(Was inzwischen geschah), Petersburg, 1918, S. 28; Hans Rebane,
Balti parunid Eesti elus (Die baltischen Barone im Leben Estlands),
Tartu (Dorpat), 1918, S. 21; Memoire sur l’independance de L’Estonie
presente ä la Conference de la paix piar la delegation estonienne,
avril 1919, S. 58 (weiter zitiert unter Memoire); J. Soots, Vaba­
dussõda kui Eesti rahva aate teostaja (Der Freiheitskrieg als Durch­
führer des Ideals des estnischen Volkes), Reval, 1920, S. 6 (weiter
zitiert unter Soots); Дюшен, Республики Прибалтики. (Die Republiken
des Baltikums), Berlin, 1921, S. 14; H. Rolnik, Die baltischen
Staaten Litauen, Lettland und Estland und ihr Verfassungsrecht, Leip­
zig, 1927, S. 49 (weiter zitiert unter Rolnik); L. V i 11 e с о u r t, La
nationalite estonienne, „Revue de droit internationale p'rive“, XXII,
1927, S. 490 (weiter zitiert unter Villecourt); A. Ander kopp, Eesti
riigikord (Die estnische Staatsform) Sammelwerk „Eesti“, Dorpat, 1927,
S. 1200; er ist allerdings der Meinung, dass der estnische Staat am
28. November 1917 entstanden ist; Paul Fauchille, Traite de droit
international public, Tome I. I-ere Partie, Paix, 1922, Paris (weiter
zitiert unter Fauchille), S. 258; Th. Korsakoff, La Constitution de
la Republique d’Estonie, in Revista de Drept Public, Nr. 3—4, Bucuresti, 1928, Separatabdruck, S. 3.
Der 24. Februar wird auch amtlich als Gründungstag der Republik
gefeiert (Das Gesetz, betr. die Feier- und Ruhetage, „Riigi Teataja“
(Staatsanzeiger) Nr. 155/156 — 1922 (Iseseisvuse päev — Tag der
Selbständigkeit).
E. v. Dellingshausen, Die Baltischen Landesstaaten, Langensalza,
1926, S. 29 (weiter zitiert unter Dellingshausen); R. Baltenius,
Die Balten in der Geschichte Estlands, Berlin, 1922, S. 11; Dr. T.
Hahn, Erinnerungen aus meinem Leben, Stuttgart, 1923, S. 420—-421;
Dr. Hugo G г о t h e, Staaten u. Völker nach dem Weltkrieg, Heidel­
berg, 1922, S. 83; A. Winnig, Das Reich als Republik, Stuttgart u.
Berlin, 1929. S. 156; derselbe, Am Ausgang der deutschen Ost­
politik, Berlin, 1921. S. 40 (Winnig spricht statt des 11. vom 13. No­
vember) ; prof. А. M а k а г о v, Die Staatsangehörigkeit in Sowjetruss­
land, Ostrecht, H. 1, 1926, S. 6 (weiter zitiert unter Makarov);
J äschke, Estland, Wörterbuch des Völkerrechts und der Diplomatie,
В. I, S. 289; Durdenjevski, Послевоенные конституцш Запада.
(Die Westeuropäischen Verfassungen der Nachkriegszeit), T. I, Lenin­
grad 1924, S. 108 (weiter zitiert unter Durdenjevski); M. M i n t z,
Die nationale Autonomie im System des Minderheitenrechts, Riga,
1927, S. 120 (weiter zitiert unter Mintz); Prof. E. Berendts, Die
Verfassungsentwicklung Estlands, Jahrbuch des öffentlichen Rechts,
В. XII, 1923/1924, S. 191—192 (weiter zitiert unter Berendts).
Dr. F. C. Z i t e 1 m a n n, Russland im Friedensvertrag von Versailles,
Berlin 1920, S. 9 (weiter zitiert unter Zitelman).
Memoire, S. 46—47; Pour l’Estonie independante, S. 32—33; Piip,
S. 44; Gaillard S. 92.
Memoire, S. 50; Pour rEstonie independante, S. 33—34; Piip, S. 44;
Gaillard S. 92.
Memoire, S. 51; Pour l’Estonie independante, S. 34—35; Piip«, S. 44;
Gaillard S. 92—93.

57

8. Die Anerkennung der Staaten im Völkerrecht, Handbuch des Völker­
rechts В. II, dritte Abteilung, 1928, S. 52, Fussnote 43 (weiter zitiert
unter Kunz).
9. E. Laaman, Eesti lahkumine Vene riigist (Estlands Loslösung vom
Russischen Reich) Reval 1920, S. 33; Memoire, S. 65.
10. P i i p, S. 5.
11. Maddison-Angelus, S. 1.
12. Kunz, S. 18—19.
13. Entstehung von Neustaaten und der Neustaaten nach dem Welt­
kriege, Wörterbuch des Völkerrechts und der Diplomatie, В. I, 1924,
S. 284.
14. P i i p, S. 45.
15. Memoire, S. 25; Pour l’Estonie dndependante, S. 5; J. Tõnisson, Eesti
autonoomia tuleku päevilt (Aus den Tagen vor der Erwartung d. estn.
Autonomie), im „Mälestused iseseisvuse vöitluspäevilt“ (Erinnerungen
aus den Tagen des Kampfs um die Selbständigkeit), В I, Reval, 1927,
S. 5—10; Martna S. 91; Piip, Iseseisvuse esipäevilt (Aus den ersten
Tagen der Selbständigkeit), S. 39; derselbe, Maapäeva seadused
(Die Gesetze des Landtages), im „Mälestused iseseisvuse vöitluspäe­
vilt“ (Erinnerungen aus den Tagen des Kampfs um die Selbständig­
keit), S. 58; Gaillard, S. 75; Berendts, S. 191.
16. Piip, Maapäeva seadused (Die Gesetze des Landtages).
17. Die Tür des Schlosses auf dem Dom.
18. Tammann, S. 50.
19. Tammann, S. 53.
20. Tammann, S. 56.
21. Tammann, S. 57.
22. Tammann, S. 57.
23. Tammann, S. 58.
24. Die U. S. A. am 9. 3. 1917 (im Anzeiger der Temporären Regierung
vom 10. (23.) März 1917 Nr. 5 (51); England, Italien und Frankreich
am 11. 3. 1917 (im Anzeiger der Temp. Regierung vom 12. (25.) März
1917 Nr. 7 (53); Schweden (im Anzeiger der Temp. Regierung vom
19. März (1. 4) 1917 Nr. 13 (59); Iapan, Belgien, Serbien, Rumenien,
Portugal am 22. 3. 1917 (im Anz. d, Tempi Regierung vom 23. März
(5. 4) 1917 Nr. 16 (62).
25. Tammann, S. 66.
26. Tammann, S. 66—67.
27. Tammann, S. 70.
28. Tammann, S. 76—77.
29. Piip, S. 42.
30. .Tammann, S. 109.
31. Tammann, S. 135; Mälestused iseseisvuse vöitluspäevilt (Erinnerungen
aus den Tagen des Kampfes um die Selbständigkeit), S. 395—396.
32. Das mit Tintenstift geschriebene deutsche Orginal wird im Staats­
archiv im Akt Nr, 24 der Staatskanzlei „Die Übernahme der Regierung
von den Deutschen“ aufbewahrt. Nach A. Winnig protokollierte die
„Vereinbarung“ Herr Köhrer, der sie als „den Frieden von Riga“
euphemistisch meinte. (Am Ausgang der deutschen Ostpolitik, S. 421).
Von dieser „Vereinbarung“ spricht Jäsohke (Wörterbuch des Völker­
rechts und der Diplomatie, В. I, S. 289), sie ist aber F. Zitelmann nicht
bekannt, der wohl von der mit Lettland abgeschlossenen Abmachung

58

33.
34.
35.
36.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
43.
44.
45.
46.
47.
48.
49.
50.

51.
52.
53.

54.
55.
56.
57.
58.
59.
60.

spricht (S. 85), die mit Estland abgeschlossene Vereinbarung aber nicht
erwähnt.
Das entsprechende Telegramm wird im Staatsarchiv in dem in der
Anmerkung 32 gennanten Akt aufbewahrt.
Piip), S. 45.
Kunz, S. 145.
Kunz, S. 60.
Dr. K. Strupp, Die Friedensverträge, В. I. Die Ostfrieden, Berlin, 1918,
S. 268—269, (weiter zitiert unter Strupp); Zitelmann, S. 24—25;
Reichsgesetzblatt, 1918, Nr. 77.
Strupp, S. 376; Zitelman, S. 25.
Мирные переговоры в Брест-Литовске. (Die Friedensverhandlungen in
Brest-Litowsk), Moscou 1920, S. 7 und ff).
Zitelmann, S. 15—16; Soots, S. 25.
Th. Niemeyer, Die Friedenschlüsse 1918—1921, В. VI, S. 714.
Soots, S. 29—30.
Zitelmann, S. 95; Der Friedensvertrag zwischen Deutschland und der
Entente, Charlottenburg 1919, S. 228 (weiter zitiert unter Friedens­
vertrag).
Zitelmann, S. 37—38; Friedensvertrag, S. 151.
s. Anmerkung 32.
Maddison-Angelus, S. 1—2; Maddison, S. 115; Csekey, S. 170—171.
Dellingshausen, S. 28.
Dellingshausen, S. 29; Strupp, S. 271—272.
Dellingshausen, S. 29.
Dellingshausen, S. 27; Pour rEstonie independante, S. 20; Rechtskraft
und Rechtsbruch der liv- und estländischen Privilegien, Leipzig 1887;
E. Winkelmann, Die Capitulationen der estländischen Ritterschaft und
der Stadt Reval vom Jahre 1710 nebst deren Confirmationen, Reval
1865; K. Eliaser, Роль дворян въ местном самоуправлеши Прибалтшскаго края, (Die Rolle des Adels in der Selbstverwaltung des Balti­
kums), im Sammelwerk Эсты, Латыши, их исторш и быт» (Esten und
Letten, ihre Geschichte u. Leben), Moskau 1916, S. 71—73.
Strupp, S. 273.
Gaillard, S. 87; Pour rEstonie independante, S. 20—25.
Dellingshausen, S. 29; Jäschke, Estland (Wörterbuch des Völkerrechts
und der Diplomatie), S. 289; derselbe, Kurland (Wörterbuch
des Völkerrechts etc.), S. 780; derselbe, Livland, (Wörterbuch
des Völkerrechts etc.), S. 833.
Makarow, S. 6; Durdenjevski, S. 108.
Soots, S. 14.
E. Laaman, Eesti lahkumine Vene riigist (Estlands Loslösung vom
russischen Reich), S. 119.
Piip, S. 45.
J. Seljamaa, Tartu rahu (Der Dorpater Friede), „Kaitse kodu“ (Schütze
das Heim) Nr. 3, 1928, S. 167.
„Riigi Teataja“ (Staatsanzeiger) Nr. 1 — 1920; Eesti lepingud välis­
riikidega (Verträge Estlands mit auswärtigen Staaten), I. Reval 1923
(weiter zitiert unter Verträge).
Riigi Teataja (Staatsanzeiger) nr. 24/25 —- 1920; Verträge I; H.
Freund, Russlands Friedens- und Handelsverträge, 1924, S. 44 ff.; le
Recueil des Traites de la Societe des Nations, XI, S. 30.

59

61. Rolnik, S. 51; M. Walters, Lettland, seine Entwicklung zum Staat
und die baltischen Fragen, 1923, S. 359; M. Laserson, Die Verfassungs­
entwicklung Lettlands im Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegen­
wart, Band XI, 1922, S. 221; Durdenjevski, erster Teil, S. 97; Düschen,
Die baltischen Republiken (Russisch), Berlin 1921, S. 38; Fauchille,
S. 258.
62. Deutsch abgedruckt bei Laserson, Die Verfassungsentwicklung Lett­
lands, S. 221, und Walters, Lettland, S. 359; russisch — bei Durden­
jevski, S. 98 u. 99.
63. Laserson, S. 220; Durdenjevski, S. 97.
64. Gaillard, S. 64.
65. Laserson, S. 221; Walters, S. 358; Durdenjevski, S. 97; Rolnik, S. 51.
66. Die Proklamation des Königreichs Polen vom 5. November 1916
(abgedruckt bei Roth, Die Entstehung des polnischen Staates, Berlin,
1926, S. 129 und Hans F. Helmolt, Die Wiederherstellung Polens,
Gotha, 1917, S. 24—25); Patent vom 12. September 1917, betreffend
die Staatsgeva.lt im Königreich Polen (abgedruckt bei Roth, S.
129—130, französisch —• bei J. Blociszewski, La restauration de !a
Pologne et la diplomatie europeenne in Revue generale de Droit Inter­
national Public, 1921, Nr. 1—2, 2-e Serie, T. III, S. 81—82).
67. Schreiben der Französischen Regierung vom 20. September 1917 an
das Polnische Nationalkomitee in Paris (deutsch abgedruckt bei Roth,
S. 131, französisch — bei Blociszewski, La restauration de la Pologne
etc., S. 67—68); Schreiben "der Englischen Regierung vom 15. Oktober
1917 an das Polnische Nationalkomitee in Paris (deutsch abgedruckt
bei Roth, S. 132); Schreiben der Italienischen Regierung vom 30. Okto­
ber 1917 an das Polnische Nationalkomitee in Pariis (abgedruckt bei
Roth, S. 132—133); Schreiben der Vereinigten Staaten vom 1. Dezem­
ber 1917 an das Polnische Nationalkomitee in Paris (abgedruckt bei
Roth, S. 133); Noten über die Anerkennung der polnischen Armee als
kriegführende Armee (der französischen Regierung vom 28. September
1918 (Roth, S. 47), der englischen —- vom 11. Oktober 1918, der
italienischen —- vom 12. Oktober 1918 und der Vereinigten Staaten —
vom 1. November 1918); P. 13 der Rede Wilsons vom 8. Januar 1918
(Roth, S. 45, Gaillard, S. 141).
68. Aufruf des Oberkommandierenden Grossfürst Nikolai Nikolajevitsch
vom 1./14. August 1914 (Blociszewski, S. 13, Roth, S. 10, Walther
Recke, Die polnische Frage als Problem der europäischen Politik,
Berlin 1927, S. 205); Armeebefehl des Kaisers Nikolai II vom 25. De­
zember 1916 (Blociszewski, S. 44); Aufruf des Petersburger Arbei­
ter- und Soldatenrats vom 27. März 1917 (S. Recke, S. 272); Deklara­
tion der russischen Provisorischen Regierung vom 17./3Q. März 1917
(Вестник
Временного Правительства Nr. 11 ;
Blociszewski, S.
55—66, Roth, S. 16, Helmolt, Die Weiderherstellung Polens, S. 69—71);
Art. III des Friedensvertrags von Brest-Litowsk vom 3. März 1918;
Erklärungen der russischen Delegation in Brest-Litowsk (S. Мирные
переговоры в Брест-Литовске т. I, Москва, 1920, S. 85).
69. Entstehung und Verfassung der polnischen Republik im Jahrbuch des
öffentlichen Rechts der Gegenwart, Band XII, 1923/24, S. 290.
70. Polen im Wörterbuch des Völkerrechts und der Diplomatie, Band II,
S. 284; S. auch Casimir Smorozewski, La Pologne restauree, Paris
60

71.

72.
73.
74.

75.
76.
77.
78.
79.
80.
81.
82.
83.
84.
85.
86.
87.
88.
89.

1927, S. 46—47; Paul Roth, Die Entstehung des polnischen Staates,
Berlin 1926, S. 52; Durdenjevski, S. 56; Walther Recke, Die polnische
Frage als Problem der europäischen Politik, S. 322.
J. Pešek, ffistoire Tchecoslovaque, Prague 1925, S. 188; E. von
Glaise-Horstenau, Die Katastrophe, Zürich-Leipzig-Wien, 1929,
S. 370—372; Durdenjevski, zweiter Teil, S. 42; Rauchberg, Tschecho­
slovakische Republik im Wörterbuch des Völkerrechts und der Diplo­
matie, Band II, S. 729; Franz Weyr, Der Tschechoslovakische Staat
im Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenuart, Band XI, 1922,
S. 351—352; Jaroslav Papoušek, Der Kampf um die tschechoslova­
kische Selbständigkeit, Prag 1928, S. 91—92; J. Opocensky, Der wie­
dererstandene Tschechoslovakische Staat im Jahrbuch 1928, Die
Tschechoslovakische Republik, Prag 1928, S. 50; 0. Butter und B.
Ruml, Tschechoslovakische Republik, S. 5.
Der Aufstand der Nationen, Berlin 1928, S. 693.
Benes, Der Aufstand der Nationen, S. 597—598.
Zuschrift der englischen Regierung an den Pariser Nationalrat vom
3. Juni 1918, S. Benes, der Aufstand der Nationen, S. 485—486; Dekla­
rationen der französischen Regierung an den Pariser Nationalrat vom
29. Juni 1918, ibid. S. 499—500; Erklärung der britischen Regie­
rung vom 1. Juli 1918, ibid. S. 504—505; Deklaration der britischen
Regierung vom 9. August 1918, ibid. S. 538; Vertrag des Pariser
Nationalrats mit der britischen Regierung vom 3. September 1918,
ibid. S. 539; Deklaration der japanischen Regierung vom 9. September
1918, ibid. S. 546; Deklaration der Vereinigten Staaten vom 2. Sep­
tember 1918, ibid. S. 558; Vertrag der französischen Regierung mit
dem Pariser Nationalrat vom 28. September 1918, ibid. S. 562—563;
Note der italienischen Regierung vom 24. Oktober 1918, ibid. S.
603; etc.
.J. Zolger, die Verfassung Jugoslaviens im Jahrbuch des öffentlichen
Rechts der Gegenwart, Band XI, 1922, S. 185.
Fauchille, S. 258.
Durdenjevski, zweiter Teil, S. 100; Žolger, die Verfassung Jugosla­
viens, S. 182.
Durdenjevski, S. 100; Žolger, S. 184; Schwarzlose, Serbisch-KroatischSlowenischer Staat (Südslavien) im Wörterbuch des Völkerrechts und
der Diplomatie, Band II, S. 523.
Durdenjevski, S. 100; Zolger, S. 183. ,
Durdenjevski, S. 100; Žolger, S. 184.
Durdenjevski, S. 100—101; Žolger, S. 184—185.
Durdenjevski, S. 101.
Gmelin, Serbokroatisch-italienische Differenzpunkte, im Wörterbuch
des Völkerrechts und der Diplomatie, Band II, S. 527.
Fauchille, S. 312; Glaise Horstenau, Die Katastrophe, S. 377; Beneš,
Der Aufstand der Nationen, S. 391.
Csekey, S. 238—240; Rapport au conseil de la Societe des Nations
(Questionnaires), Geneve 1927, S. 155.
Verträge I.
Verträge II.
A. Piip, Iseseisvuse esipäevilt (Aus den ersten Tagen der Selbstän­
digkeit), S. 57.
Piip, S. 48.
61

90. W. Hessen,

91.
92.
93.
94.
95.
96.
97.
98.

99.
100.
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112.
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114.
115.
116.
117.
62

Подданство
(Untertanschaft), S. 323 (weiter zitiert
unter Hessen).
August Winnig, Am Ausgang der deutschen Ostpolitik, S. 51; Rolnik,
S. 51; Jäschke, Lettland (Wörterbuch des Völkerrechts u. der Diplo­
matie, В. I. S. 825—826); Mintz, S. 108.
Csekey, S. 220—221.
Csekey, S. 221.
Die Verordnungen der temporären Regierung treten mit ihrer Ver­
kündung im Staatsanzeiger in Kraft, wenn in der Verordnung kein
anderer Termin angegeben ist.
Hessen, S. 123.
Erwiderung auf die Kundgebung der Vorsitzenden des Abgeordne­
tenhauses und des Senats etc. anlässlich des 10. Jahrestages der Unab­
hängigkeit am 28. Oktober 1928, Prag 1928, S. 15.
Villecourt, S. 491.
Der § 27 des Grundgesetses sagt: „Stimmberechtigt ist jeder Bürger,
der zwanzig Jahre alt geworden und ununterbrochen wenigstens ein
Jahr lang in der estnischen Staatsbürgerschaft (Eesti kodakondsuses)
gewesen ist.“ Seine Übersetzung klingt: „Chaque citoyen, ä partir
de 20 ans, jouit du droit de vote, s’il est sujet estonien depuis
au moins une annee.“
Maddison — Angelus, S. 16.
Makarov, S. 7; Villecourt, S. 492.
Villecourt, S. 492.
E. Maddison, Eesti kodanikud ja nende põhiõigused (Die Staatsbürger
Estlands und ihre Grundrechte), Sammelwerk „Eesti“ (Estland),
Dorpat, 1927, S. 1186; Makarow, S. 9.
I Riigikogu protokollide lisad (Die Beilagen zu den Protokollen der
I Staatsversammlung) Reval, S. 1302 (weiter zitiert unter RPL).
E. Maddison, Eesti kodanikud ja nende põhiõigused (Die Staatsbürger
und ihre Grundrechte), S. 1186.
1923. a. Riigikohtu otsused (Die Entscheidungen des Staatsgerichts
vom Jahre 1923), Dorpat, 1924, S. 120—121 (weiter zitiert unter RO),
Entscheidung nr. 59.
im RO nicht veröffentlicht.
Juhtnöörid Eesti demokraatliku Vabariigi kodakondsusse vastuvõtmise
kohta 6. veebruarist 1919 (Instruktionen, betr. die Aufnahme in die
Staatsbürgerschaft der demokratischen Republik Estland vom 6. Feb­
ruar 1919), Staatsanzeiger Nr. 16 — 1919.
RO, Entscheidung nr. 59.
Makarow, S. 15.
Villecourt, S. 493.
Makarow, S. 7.
„2) Die Gebürtigkeit der Person bedeutet den Ort, wo die Eltern bei
ihrer Geburt ständig lebten.“
I Riigikogu protokollid, 8. istungjärk (Die Protokolle der I Staats­
versammlung, 8. Sitzungsperiode), 1922, Reval, S. 787.
Makarow, S. 7.
E. Maddison, Eesti kodanikud ja nende põhiõigused (Die Staatsbürger
Estlands und ihre Grundrechte).
Villecourt, S. 494.
Villecourt, S. 494.

118. Auf diesen Standpunkt stellt sich auch das Staatsgericht in der Ange­
legenheit des Adolf (Abram) Gutmann (Nichtanerkennung als Staats­
bürger Estlands): „Die verneinende Antwort des Innenministers grün­
det sich auf den § 7 der Estnisch-Lettischen Konvention, wonach die
Bestimmung, dass eine Person als Staatsbürger desjenigen Staates ge­
zählt wird, in dessen Grenzen sie lebt, sich auf die Bürger estnischer
und lettischer Nationalität bezieht1' („Eesti Politseileht“ — Estnisches
Polizeiblatt — Reval 1923, Nr. 8/9, S. 120, im RO nicht veröffentlicht).
119. Piip, S. 49.
120. E. Maddison, Eesti kodanikud ja nende põhiõigused (Die Staatsbürger
Estlands und ihre Grundrechte), S. 1187.
121. E. Maddison, Opteerimisest Eesti-Ukraina vahelise lepingu järele
(Über die Optation nach dem Vertrag zwischen Estland und der
Ukraine), „Vaba Maa“ (Das Freie Land), Reval, 1922 Nr. 100.
122. RPL, S. 1300.
123. Csekey, S. 240.
124. Das Staatsgericht, das am 17. Mai 1927 über die Klage des Moses
Kolomoitsev, betr. seine Staatsbürgerschaft, beriet, fand, dass der
Kläger: „im September 1922 nach Estland nur mit dem Ziel gereist ist,
um seine Frau nach Russland zu bringen, woraus zu ersehen ist, dass
Kolomoitsevs ständiger Aufenthaltsort (domicilium), wie ihn der § 3066
u. and. des Baltischen Privatrechts vorsehen, niemals in den Grenzen
der Estnischen Republik gewesen ist“ (im RO nicht veröffentlicht).
125. Auf diesem Standpunkt steht scheinbar auch das Staatsgericht; in der
Anmerkung 124 angeführten Angelegenheit versuchte der Kläger zu
beweisen, dass er, da die Ukraine zur russischen Föderation gehört,
seine Staatsangehörigkeit nicht ändern konnte, das Staatsgericht fand
jedoch, dass dieser Umstand das Bestehen der Ukraine als selbstän­
digen Staat nicht verneint.
126. Villecourt, S. 500.
127. A. Romen, Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz, 1923, Berlin, S. 24.
128. Jules Valery, La nationalite frangaise, Paris, G. 27, S. 24.
129. Das Staatsgericht erklärte in seiner Entscheidung vorn 13/24 Novem­
ber 1925 in der Angelegenheit des Miron Sinder, dass der Vorsitzende
der Landverwaltung und das Stadthaupt nicht das recht haben, die
Herausgabe des Zeugnisses zu verweigern, selbst wenn sie überzeugt
sind, dass dass vom Standpunkt der staatlichen Sicherheit und des
Vorteils begründet wäre, denn aas Staatsgericht fand, dass der § 3
dem Vorsitzenden der Landverwaltung und dem Stadthaupt vor­
schreibt in Bezug auf die zu einer bestimmten Kategorie gehörigen
Bittsteller nur festzustellen, ob die im § 3 vorgesehenen Forderungen
belegt sind und im bejahenden Falle, diesen Personen das Staatsange­
hörigkeitszeugnis auszugeben (RO Nr. 47 — 1925). Auch RPL, S. 1302.
130. RP, S. 786—787.
131. In der Angelegenheit Kolomoitsev (Anmerkung 124) fand das Staats­
gericht, dass „der Umstand, wie Kolomoitsev die Staatsbürgerschaft
der Ukraine erwarb, d. h. ob er selbst in die Staatsbürgerschaft trat
oder ob er als ukrainischer Staatsbürger gerechnet wurde, keine
Bedeutung für die Angelegenheit hat.“ Auf denselben Standpunkt
stellte sich auch die administrative Praxis.
63

132. Der Begriff „estnische Abstammung“ ist ein rein ethnographi­
scher Begriff und steht in keinerlei Zusammenhang mit dem im
§ 20 des Grundgesetzes den Staatsbürgern Estlands gewähr­
leisteten Recht der Bestimmung der Nationalität (E. Maddison, Zu
einem Prozess, „Eesti Politseileht“ — Estnisches Polizeiblatt —
Nr. 13/14 — 1926).
133. „Die Entscheidung darüber ist vollständig der Diskretionsgewalt des
Innenministers übergeben, da das Gesetz die Weiterklage über eine
diese Sachen berührende Entscheidungen nicht gestattet (RO Nr. 47 —
1925)-.
134. E. Maddison, Uued väljavaated (Neue Ausblicke) „Eesti Politseileht“
(Estnisches Polizeiblatt) Nr. 2 — 1928.
135. Villecourt, S. 503—504.
136. Hessen, S. 321.
137. „Riigi Teataja“ (Staatsanzeiger) Nr. 183/184 — 1925.
138. RPL, S. 1304.
139. Hessen. S. 261.
140. Villecourt, S. 504.
141. RPL, S. 1303.
142. Gemeint sind Steuern und Lasten.
143. Hier hat der § 7 des Gesetzes betr. den Dienst in der Wehrmacht
(Staatsanzeiger Nr. 43 — 1926) Änderungen gebracht. Während der
§ 20 des Staatsangehörigkeitsgesetzes nur die im aktiven Dienst
der Wehrmacht befindlichen Personen vorsah, spricht der genannte
§ 7 davon, dass die 18—30 jährigen Staatsbürger aus der
Staatsangehörigkeit vor Abtragung der Pflichtzeit im stehenden Heer
und in der Reserve befreit werden können nur mit Zustimmung des
Kriegsministers,
144. Vgl. § 24 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli
1913.
Hessen, S. 137 («Ни одно государство не потерпит, напримкр, экспатртцш
подданнаго, не сопровождаемой оставлешем отечества». Kein Staat
duldet z. В. die Expatriierung eines Untertans, die nicht verbunden
ist mit dem Verlassen des Vaterlandes).
145. Der estnisch-russische Vertrag, Art. IV, vgl. auch die estnisch-lettische
Konvention, Art. X und den estnisch-ukrainischen Vertrag, Art. VIII.
146. RPL, S. 1304.
147. Vgl. § 18 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli
1913.
148. Villecourt, S. 505.

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